Vincent Bal und Thomas De Prins

Stefanos Tsarouchas: David Grossmans Buch „Zickzackkind“ wurde 1994 veröffentlicht. Vincent Bal, wie sind Sie auf die Idee gekommen, daraus einen Film zu machen? Haben Sie das Buch gelesen? Hat Sie jemand angesprochen die Geschichte zu verfilmen?

Vincent Bal: Eigentlich war es der Produzent Burny Bros, mit dem ich auch schon bei DIE GEHEIMNISVOLLE MINUSCH zusammen gearbeitet habe. Er hat mir das Buch gegeben. Ich glaube, es war zwei Jahre nach MINUSCH. Er sagte: „Ich glaube, Du wirst dieses Buch mögen.“ und das war auch so. Es war nicht das erste Buch, das er mir gegeben hat, in der Hoffnung daraus einen Film zu machen, aber „Zickzackkind“ hat mich sehr berührt. Ich dachte, es ist sehr lustig, sehr emotional, voller Abenteuer und so. Ich habe die Bilder sofort in meinem Kopf gesehen. Ich dachte mir, das will ich wirklich verfilmen.

S. Tsarouchas: Das ist nach MINUSCH der zweite Film, den Sie nach einem Buch gedreht haben. Gefällt es Ihnen zu adaptieren? Immerhin sind Sie auch der Regisseur.

V. Bal: Nun, das ist ein Vorteil. Wenn man selbst das Drehbuch schreibt, hat man ein solides Fundament. Es ist auch gut, wenn man sich nicht die ganze Geschichte selber ausdenken muss. Andererseits wird mein nächster Film auf einer originellen Idee basieren. Das Drehbuch schreibe ich zusammen mit jemanden. Es gefällt mir beides zu tun. Wenn man ein gutes Buch bekommt, wie dieses hier, ist es wie ein kleines Geschenk. Man kann es nur mit Dankbarkeit annehmen.

S. Tsarouchas: Sie haben den Handlungsort verlegt. Das Buch spielt in Israel. Warum haben Sie nicht auch die Handlungszeit in die Gegenwart verlegt?

V. Bal: Nun, das Buch spielt in den 1950'er Jahren. Wir lassen die Geschichte ein paar Jahre später spielen. In der Gegenwart würden die Menschen aber anders miteinander kommunizieren. Nono würde ein Handy haben. Es würde Computer geben. Damals war es einfacher verloren zu gehen. Das ist für mich auch ein Teil der Geschichte. Der andere ist, Menschen wie Felix Glick und Lola Ciperola, eine weltbekannte Sängerin und ein Fassadenkletterer, wie Felix Glick, das hat etwas Romantisches an sich. Für mich passt es mehr zur Vergangenheit als zur Gegenwart. Heute würde es anders sein. Auch, ein Kind auf der Flucht mit einem Erwachsenen wie Felix, heute würde es einfach anders sein. Ich mag es auch, dass das Buch eigentlich ein Märchen ist. Wenn man es in der Vergangenheit spielen lässt, wirkt es mehr wie ein Märchen. Das war unser Hauptgedanke.

S. Tsarouchas: Haben Sie David Grossman das Drehbuch geschickt, damit er etwas dazu sagen kann? Was war seine Meinung dazu?

V. Bal: Ja, er hat das Drehbuch ab und zu gelesen. Wir haben für mehrere Stunden am Telefon miteinander gesprochen. Er hatte einige, wenige aber präzise Anmerkungen zum Drehbuch z.B. wenn Jacob Nono etwas mit großen Gesten erklärt. Grossman würde dann sagen: „Ich glaube, es sollten kleine Gesten sein.“ Diese sehr speziellen Sachen. Er gab uns aber sehr viele Freiheiten bei der Verfilmung und sagte: „Wenn man der Geschichte gerecht werden will, muss man das Buch verraten um daraus einen Film zu machen. Ansonsten macht ist es eine Literaturverfilmung und das mag ich nicht.“ Er war wirklich sehr großzügig.

S. Tsarouchas: Thomas De Prins, ich glaube, das ist Ihre erste Filmmusik. Was glauben Sie, warum wurden Sie als Filmkomponist gewählt?

Thomas De Prins: Ich weiß nicht. Das ist eigentlich nicht meine erste Filmmusik, vielleicht die erste zu einem Actionfilm. Ich nenne es Actionfilm, weil es sehr viele, schnelle und wirklich kurze Schnitte und Dialog gibt. Es geht hin und her. Das ist meine erste Erfahrung mit dem Komponieren für Sekunden, sehr schnelle emotionale Veränderungen, Stimmungen. Auf eine Weise ist es eine sehr technische Sache. Ich glaube, Vincent hat mich gewählt, weil er viel Musik von mir gehört hat, die ich fürs Theater komponiert habe und auch meine Orchestermusik. Das ist eigentlich meine Spezialität, ein Komponist der alten Schule. Ich schneide oder editiere keine Musik. Auf dem Gebiet bin ich nicht gut. Ich komponiere einfach am Klavier und schreibe und stelle mir Farben vor, die zu einer begrenzten Orchestersituation passen. Ich glaube, Vincent weiß, dass ich das kann. Ich kann auch Farben oder exakte Atmosphären schaffen wie Jazz oder Varieté Lieder, Theater, wie für Isabelle Rossellini. Für sie haben wir einen Big Band Musik zum Singen geschaffen als ob es Live wäre. Das ist auch sehr , ja, auf eine Weise sehr technisch. Ich glaube, dass ich aus diesem Grund gewählt wurde. Ich kann klassische Musik schreiben, aber auch altmodischen Rock, der nach den 70'er klingt, frühen 70'ern oder späten 60'ern. Das ist das Material im Rückblick, das wir brauchten, aber auch die spätere Entwicklung der Musik. Wir haben auch einen sehr zeitgenössischen Bezug in der Musik, so das sie auch ein heutiges Publikum anspricht. Die Musik ist sehr vielseitig. Es gibt exotische Elemente, ein bisschen Rock und auch englische Kammermusik wie ein Streicherquartett. Ein bisschen atonal, leichte atonale Passagen, die für ein junges Publikum (lacht) nicht zu schwer sind. In der Musik ist alles dabei. Das war ein wirklich schönes Projekt.

S. Tsarouchas: Vom Drehbuch her mussten die Lieder schon vor den Dreharbeiten vorbereitet sein.

T. De Prins: Ja.

S. Tsarouchas: Wer hat sich den Text ausgedacht? Stand Isabella Rossellini schon als Sängerin schon fest? Wie haben Sie auf ihre Stimme reagiert? Sie hat nur eine begrenzte Klangbreite und eine etwas tiefe Stimme.

T. De Prins: Ja.

S. Tsarouchas: Die Lieder sind etwas langsam.

T. De Prins: Nun, es war ein Glücksspiel, aber es ist aufgegangen. Ich habe sie am Telefon gehört. Wir haben offensichtlich miteinander gesprochen. „Ich habe gehört, dass Vincent will, dass Sie ein Lied singen.“ Sie sagte: „Ja, ja. Ich bin ein deswegen etwas nervös. Ich habe schon gesungen, aber ich habe keine kräftige Stimme und ich weiss nicht ganz, was er will.“ Ich sagte: „In Ordnung. Wir haben einige Lieder ausgewählt. Kennen Sie die?“ „Ja, es ist ein Broadway Lied 'Whatever Lola wants' aus einem Musical.“

S. Tsarouchas: Oh, das Lied existierte schon?

T. De Prins : Ja. Es war vielleicht etwas teuer, die Rechte zu bekommen. Leider ist es nicht von mir. Sie sang ins Telefon und ich sagte: „Das ist definitiv G-Moll.“, weil sie nicht höher als ein D singen konnte und auch nicht tiefer. Der Stimmumfang war sehr begrenzt. Ich habe dann darum eine ganze Welt erschaffen. Wir brachten sie, dass sie dazu sing. Am Anfang war sie sehr nervös. Es war ein Big Band Aufbau. Sie wusste nicht genau, wie sie dazu passt, „Wird es gehen? Können wir, kann ich ein Klaviersolo bekommen?“ und das hat sie beruhigt. Sie, wir haben wirklich hart gearbeitet. Sie ist schon eine Perfektionistin. Sie war nicht leicht zufriedenzustellen. Das ist gut. Wir haben drei, vier Stunden gebraucht.

S. Tsarouchas: Sehen wir Sie in dem Film als Bandleader?

T. De Prins (lacht): Ja. Nun, eigentlich ist es nicht mein Ding, aber Vincent hat gesehen, wie ich dirigiere. Ich weiß, was ich will und der Takt stimmt. Ich habe die Dirigiertechnik und es funktioniert. Es wirkt echter. Bei einem Schauspieler würde das Dirigieren albern aussehen. Man glaubt es nicht (lacht). Ich glaube es nicht.

S. Tsarouchas: Aus welchem Musical ist das Lied „Lola wants“?

V. Bal: Ich glaube, es ist aus dem Musical „Yankee go home“. Es ist ein klassisches Lied. Das gute dabei ist, niemand verbindet mit dem Lied einen bestimmten Sänger. Man kennt es vielleicht, aber es ist kein Lied von Sinatra oder Marlene Dietrich. Das Tolle an dem Lied ist, dass der Text sehr gut zu Lola passt. Sie kann bekommen, was sie will und das man es schon kennt, macht es noch glaubwürdiger. Dazu ist sie noch eine sehr bekannte Sängerin und es ist ein gutes Lied. Ich mag es sehr. Thomas hat in der Belgischen Gruppe „El Tatoo Del Tigre“ gespielt und die sind mit dem Lied aufgetreten. Als ich für die Vorproduktion kleine Videos machte, habe ich dieses Lied verwendet, weil es zur Figur passte. Ich dachte mir, warum das Lied nicht im Film verwenden? Und dann dachte Isabella, es ist in Ordnung es zu singen.

S. Tsarouchas: Ihre Filmfigur ist ein bisschen wie Marlene Dietrich, ein bisschen erotisch und

V. Bal: Wir haben uns Filmmaterial von Marlene Dietrich angeschaut. Der Unterschied ist, wenn Dietrich auf der Bühne ist, steht sie nur da. Einer meiner Lehrer auf der Filmschule hat Marlene Dietrich mit einem Diamanten verglichen. Sie funkelt sehr, aber sie ist zur gleichen Zeit auch ein bisschen kalt und statisch. Für die Darbietung des Lied wollten wir aber etwas Sinnliches. Wir haben also für ein bisschen Bewegung gesucht und es war lustig, das zu finden.

S. Tsarouchas: Sie hatten bei MINUSCH einen anderen Komponisten. Warum sind Sie nicht beim gleichen Komponisten geblieben? Entschuldigung (in Richtung von Thomas De Prins, Anmerkung von S. Tsarouchas)

V. Bal: Nun, ich habe mit dem Komponisten Peter Vermeersch zu einem gewissen Zeitpunkt auch über dieses Projekt gesprochen. Ich habe auch mit Thmas gesprochen. Ich dachte mir, es wäre ganz nette ein etwas andere Farbpalette im Film zu haben Thomas macht Musik, die ein bisschen lustig, altmodisch ist. Sie hat diese coole Qualität. Sie ist sehr zugänglich. Ich weiß, wie gut er auch mit Big Bands ist, das mochte ich im Film. Thomas trägt auch sehr gute Anzüge (Thomas De Prins lacht). Ich dachte mir also, es wäre schon mit ihm zu arbeiten.

S. Tsarouchas: Wie sind Sie auf ihn gekommen? Haben Sie ein bisschen Musik von ihm gehört oder waren Sie bei einem seiner Konzerte?

V. Bal: Nun, unsere Zusammenarbeit hat vor fast 10 Jahren begonnen. Ich hörte eines seiner Lieder mit der Gruppe „Le Monsieur“ im Radio. Ich mochte es sehr und kaufte die CD. Ich dachte, das ist richtig gut. Dann machte ich Werbung für einen Kaffee. Wir suchten ein Lied für die Werbung und ich versuchte es mit einem Lied von ihm. Es war wirklich gut. Wir wollten den Text ein bisschen ändern. Wir baten ihn ins Studio zu kommen und das Lied ein bisschen zu ändern, mit anderem Text und so haben wir uns kennengelernt und

T. De Prins: Das lustige ist, ich dachte, ich habe alle Bänder. Ein paar waren tatsächlich gelöscht. Ich war panisch (lacht). Ich musste die Percussion neu machen, das Schlagzeug, auch das Klavier. Ich spiele eine Menge Instrumente und es musste schnell gehen. Ich sagte, kein Problem, ich habe die Musik. In Wirklichkeit aber, damals vor 10 Jahren, war die Digitalisierung noch nicht so verbreitet. Ein paar Sachen waren wirklich weg. Wir haben uns kennengelernt und auch die Qualität der Arbeit, wenn es schnell gehen muss.

(Irgendwann hier machten die Batterien des Aufnahmegeräts schlapp, Anm. von Stefanos Tsarouchas)

V. Bal: Wir haben uns über Isabella Rossellini unterhalten, stimmt's? Als ich das Drehbuch schrieb, habe ich noch nicht an die Darsteller gedacht. Als wir das erste Mal darüber sprachen, war Isabella Rossellini auf unserer Liste ganz oben. Ich weiß nicht genau warum. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Isabella Rossellini ein bisschen wie Lola Ciperola klingt, aber es ist sicher mehr. Ich glaube, die Figur von Lola hat eine gewisse Eleganz, aber gleichzeitig ist sie auch jemand, der Schabernack treibt und ein bisschen frech ist. Das sehe ich auch in Isabella. Sie ist wie eine Königin, aber sie kann dich anschauen und sie hat dieses schelmische Lächeln, das so perfekt ist. Sie hat einen großartigen Sinn für Humor. Das sieht man in den Filmen, diese dreht wie GREEN PORNO. Das ist sehr lustig. Ich dachte mir, warum nehmen wir nicht sie? Ich glaube, dass sie bestimmt Nein sagen wird. Das ist unter ihrem Niveau, aber warum versuchen wir es nicht. Wir waren so froh als sie Ja gesagt hat und für die Rolle von Felix … im Buch hat er diesen Akzent. Er spricht mit einem lustigen Akzent und ich dachte daran, dass es auch im Film so sein sollte. Zuerst haben wir daran gedacht einen Holländischen oder Belgischen Schauspieler zu nehmen, aber es wird komisch sein, weil wir den Schauspieler kennen würden. Jeder kennt diesen Schauspieler und plötzlich hört man ihn mit einem Akzent sprechen? (Vincent Bal spricht Englisch mit einem Französischen Akzent.) Das klingt zu sehr nach Closeau. Das passt nicht. Dann haben wir überlegt, wir suchen einen Deutschen Schauspieler, weil Deutsch und Holländisch ein bisschen ähnlich sind. Wir haben an die besten Deutschen Schauspieler gedacht und Burghart Klaußner war natürlich auf unserer Liste. Ich glaube, einer unserer Produzenten hat ihn hier in Berlin vor zwei Jahren auf dem Festival getroffen. Sie hat mich angerufen: „Das ist unglaublich! Ich habe mit Burghart Klaußner gesprochen. Er kann Holländisch sprechen!“. Seine Frau ist Holländerin. Das war so ein Zeichen. Burghart hat diese großartige Qualität, dass er seinen Figur echt aussehen lässt. Man merkt, er ist ein sehr guter Schauspieler. Ich habe mir aber auf Youtube angesehen, wie er Lieder von Charles Trenet singt. Das hat seine andere Seite hervorgebracht und ich dachte mir, das brauchen wir für Felix.

S. Tsarouchas: Und Thomas Simon, der Nono spielt?

V. Bal: Wenn man ein Skript mit einem Kind als Hauptdarsteller schreibt, muss man natürlich ein ausführliches Casting machen. Irgendwo da draußen ist er. Man muss ihn nur finden und ihn zu dir bringen. Wie haben eineinhalb Jahre vor Beginn der Dreharbeiten mit dem Casting begonnen und hatten ihn immer noch nicht. Wir hatten ein paar Jungen, die einen guten Job machten. Meiner Meinung nach hätten sie den Film aber nicht tragen können. Nono ist in allen Szenen. Er muss fünf Szenen am Tag schaffen, den Umfang der Arbeit. Dann kam Thomas zum Screening, zum Vorsprechen und er war großartig. Er machte einen Take. Alles konnte verwendet werden. Er hat auch die kleine Ironie, die es im Dialog manchmal gibt, verstanden, die Nuancen, die Emotion, den Humor. Ich war sehr glücklich, dass wir ihn gefunden haben.

S. Tsarouchas: Sie haben auf eine gewisse Art und Weise eine multikulturelle Schauspielerriege. Welche Sprache haben sie benutzt? Haben sie die ganze Zeit Englisch gesprochen?

V. Bal: Oh, es war sehr Europäisch!. Ich meine damit, wir haben Englisch gesprochen, dann ins Holländische gewechselt. Manchmal sprach ich auf Französisch wegen Camille De Pazzis und bei Burghart, ich weiß immer noch nicht so recht in welcher Sprache ich mit ihm reden soll! Manchmal habe ich Holländisch gesprochen, dann Englisch. Er fängt an mit mir auf Deutsch zu reden. Ich habe nur genickt und gelächelt. Englisch war so etwas wie die Hauptsprache. Darum haben wir uns auch dazu entschlossen, Englisch als zweite Sprache im Film zu verwenden. Wir haben auch daran gedacht Französisch zu nehmen, weil sie in Nizza lebt, aber Französisch für Holländische Schauspieler, das ist ein Zungenbrecher. Das geht nicht. Für uns Belgier ist die Französische Sprache sehr nah, aber für Holländer? Das klingt dumm. Auch wird schlechtes Englisch eher akzeptiert als schlechtes Französisch. Die ganze Welt spricht Englisch. Als ich Isabella in Paris besuchte, haben wir einen Kaffee getrunken. Sie ist Italienerin. Ich bin Belgier und wir haben Englisch gesprochen. Es ist wie eine universelle Sprache. Ich dachte mir deshalb, Englisch ist eine gute Wahl.

S. Tsarouchas: War die Rolle von Camille De Pazzis in ersten Drehbuchfassungen größer, weil sie auch in der US‑Amerikanischen Fernsehserie THE LAST STAND spielte?

V. Bal: Nun, wir haben den Film gedreht, bevor Camille De Pazzis die Rolle in THE LAST STAND bekam. Ich glaube, es war am Ende des Drehs als sie zu den Castings flog. Sie hatte auch ein Casting für eine andere große Serie. Sie hat die Rolle aber im letzten Moment abgelehnt. Ich habe THE LAST STAND noch nicht gesehen und bin wirklich neugierig, weil … das großartige bei Camille ist, sie bringt die Leinwand zum Leuchten. Sie ist so schön auf der Leinwand. Das ist unglaublich.

S. Tsarouchas: David Grossman hat ein Cameo am Ende. Wollte er das oder haben Sie es vorgeschlagen?

V. Bal: Das stimmt. Es war eine Frage des Budgets, weil wir uns keine weiteren Extras leisten konnten und David Grossman umsonst zu haben war (lacht) Nein. Die Sache ist, es ist eine nette Idee ihn im Film zu haben, aber ich dachte mir, erst fragen wir ihn. Falls er es nicht mag, muss er es nicht machen. Es ist wirklich nett für die Leute, die Grossman kennen. Es ist ein kleines Augenzwinkern am Ende des Films. Meistens mag ich aber Cameos nicht, weil sie von der Geschichte ablenken. Das war aber die letzte Szene im Film und es ist wie ein witziger Abschied vom Film. Ich fand es in Ordnung.

S. Tsarouchas: Was für eine Art von Regisseur sind Sie? Muss man sich strikt an das Drehbuch halten?

V. Bal: Ich versuche es. Ich versuche es so frisch wie möglich zu machen, aber das schwierige an der Geschichte ist, es ist wirklich ein Puzzle. All diese Stückchen. Es war sehr schwer das Skript zu schreiben. Alle Informationsteile mussten sorgfältig platziert werden, weil sie sich am Ende des Films zusammenfügen müssen. Wir haben uns also sehr nah an das Drehbuch gehalten. Gleichzeitig wollte ich es am Set so glaubwürdig wie möglich haben. Ich bin für Ideen der Schauspieler immer offen.Ich habe aber auch eine sehr bestimmte Idee von dem, was ich haben will. Ich tendiere dazu ein Storyboard für viele Szenen zu verwenden. Das hilft mir beim Visualisieren. Es ist auch eine tolle Sache, wenn man mit dem Rest der Crew kommuniziert. Wenn ich am Set aber etwas sehe, was besser ist, werden wir es natürlich probieren.

S. Tsarouchas: War es schwer all die Drehorte und Fahrzeuge zu bekommen, damit alles echt aussieht?

V. Bal: Es war sehr schwer, alles so aussehen zu lassen, als ob es ein Ort ist. Natürlich hatten wir nicht das Budget um alles in Südfrankreich zu drehen. Es gibt sehr viel Nizza im Film, aber eigentlich ist es nur das ganz normale alte Belgien und es gibt sehr viele Orte im Drehbuch, die … ja, da gibt es das Diamantengebäude neben der Schokoladenfabrik. Wir haben diese Gebäude nicht so nahe nebeneinander gefunden. Es gibt also diese ganze Sequenz des Einbruchs in das Diamantenmuseum, die wir an fünf oder sechs verschiedenen Orten gedreht haben. Es ist alles zusammengeschnitten. Manchmal haben die Schauspieler ins Nichts geschaut, wenn sie auf etwas reagieren mussten. Im Film ist es dann so zusammengeschnitten, als ob sie den Leuten in der Schokoladenfabrik zusehen. Ich denke, die Suche nach den Drehorten ist immer eine der lustigsten Sachen des Projekts. Es fängt an echt zu werden und man muss all diese Bilder zusammenstellen und schauen, was passt, daraus ein Universum machen.

S. Tsarouchas: NONO HET ZIGZAG KIND ist für mich ein großartiger Familienfilm. Was gefällt Ihnen an diesem Genre?

V. Bal: Ja, ich weiß nicht. Ich denke, Geschichten über Kinder und Eltern haben mich immer angesprochen. Ich denke auf eine Art und Weise ist es eine der grundlegenden Emotionen auf der Welt. Wenn man selbst Kinder hat, sind sie das Wichtigste in deinem Leben. Du willst sie beschützen. Du willst, dass sie aufwachsen und schönes Leben haben. Wenn man Kind ist, ist die Anerkennung durch die Eltern sehr wichtig. Ich kenne sehr viele Leute, die immer noch ihr bestes versuchen um ein gutes Wort ihrer Eltern zu hören. Ich denke, das ist eine sehr wichtige emotionale Beziehung im Leben. Ich glaube, das ist es, was mich berührt. Andererseits hat man bei Familienfilmen die Freiheit ein bisschen albern zu sein. Es gibt darin Humor und Gefühle. Ja, ich glaube, das gefällt mir.

S. Tsarouchas: Was für ein Orchester haben Sie benutzt?

T. De Prins: Ich habe eine Gruppe, ein Orchester vor drei, vier Jahren mit ein bisschen Regierungshilfe gegründet, weil es sehr groß ist. Es heißt Score Man. Das ist eine Art von Riese. Man sieht einen Mann, der Scores spielt. Er ist auch so etwas wie ein Schiff. Es ist wie ein Musikschiff mit Blechbläsern, Klarinetten, Flöten, zwei Trommlern Gitarren, Bässen, einigen Synthesizern, die ich spiele, Schlagzeug. Es ist eine sehr komplizierte, große Maschine. Ich wollte es schon immer haben, mein eigenes Instrument. Die Musiker sind keine Sklaven, aber sie müssen das tun, was ich will. Es macht Spass. Einen Stil zu haben wie Duke Ellington trifft Schostakowitsch, aber mit diesem Rock Sound, der nicht so einfach ist und glatt gebügelt. Ich mag keine Musik ohne Fehler. Sie ist sehr langweilig und die Klangwelten sind auf eine Art zu rein. Ich mag das überhaupt nicht. Ich wollte ein rohes, Big Band Kammermusik Orchester. Andererseits in diesen Zeiten ist es schwer es zu unterhalten, Arbeit zu bekommen. Man muss ehrlich sein. Wir befinden uns in einer ökonomischen Krise. Ich bin der Impresario, der Manager, der Sekretär. Ich bin das Mädchen für alles. Ich schreibe auch die Scores und mach mir Gedanken alle bei einander zu behalten, aber es macht Spaß und ich mache noch mehr. Ich bin auch Musiklehrer. Ich dirigiere Schulorchester und gebe Klavier‑ und Orgelunterricht. Das ist mein Leben.

S. Tsarouchas: Ich weiß nicht, ob sie über das Budget sprechen wollen. In Deutschland bekommt der Komponist etwa 1% bis 2% vom gesamten Budget und muss davon alles bezahlen.

T. De Prins: Nun, ich habe herausgefunden, dass ich ganz gut verhandeln kann. Ich setzte die Latte hoch an um dann herunterzugehen. So macht man es, um die Leute zu bezahlen, mit denen man arbeitet. Das ist wichtig und auch ein bisschen Geld für sich selbst zu haben und für die Familie (lacht). Das ist das ökonomische Denken. Als wir, Vincent und ich über die verschiedenen Klangfarben sprachen, die der Film braucht, das ist nicht etwas, dass man mit einer kleinen Band machen kann oder mit ein paar Synthesizern. Das klingt zwar ganz nett, Streicher hier und da, aber das passt nicht. Man kann nicht alles mit digitalen Instrumenten machen, die Lebendigkeit der Musik. Das geht nicht und das macht es aber auch teurer.

S. Tsarouchas: Das stimmt. Sie hätten auch eine Mischung aus Live-Instrumenten und Synthesizer verwenden können?

T. De Prins: Ja, aber das kann ich nicht sehr gut. Wenn man schnell arbeiten muss, wird der Prozess dadurch aber auch langsamer.Man hat eine gemischte Arbeitsweise, einen digitalen Aufbau und dann geht man ins Studio um die Blechbläser aufzunehmen. Das macht es alles schwerer. Ich bevorzuge es alles auf einmal zu machen. Ich bereite mich sehr gut vor und sehe wie der Klang funktioniert. Das ist aufregender, vielleicht nicht für den Regisseur. Er sagt: „Werden wir bekommen, was wir wollen?“ und ich sage dann ja. Manchmal gibt es Änderungen, die alles noch besser machen, dinge die man nicht erwartet. Manchmal glaubt man, das ist keine große Sache, aber daraus entwickelt sich manchmal etwas wie kleine Blüten.

Bettina Hirsch: Werden Sie den Soundtrack veröffentlichen?

T. De Prins: Er wurde veröffentlicht. Man kann ihn bei iTunes kaufen. Schwieriger ist es mit den Notenblättern. Man muss die Musik vereinfachen, damit sie auf dem Klavier oder von einer kleinen Formation gespielt werden kann. Manches ist sehr komplex und nicht einfach zu spielen.

S. Tsarouchas: Aber die Rechte haben Sie behalten?

T. De Prins: Es gibt ein italienisches Lied, einen Twist. Bei dem Lied sind die Rechte mit der Sängerin geteilt und „Whatever Lola wants“ ist nicht von mir, aber alles andere ist nur von mir. Die Rechte habe ich behalten.

S. Tsarouchas: Was machen Sie als nächstes?

V. Bal: Ich bereite eine Musikkomödie vor, es geht um den Streit zwischen … Belgien besteht aus zwei Teilen. Es gibt die flämische und die wallonische Seite. Es geht um einen Wettbewerb zwischen zwei Blaskapellen, eine von jeder Seite. Es ist eine musikalische Komödie mit Hits aus den letzten 30 Jahren in Belgien. Sie ist ein bisschen in dem Stil von Alain Resnais' DAS LEBEN IST EIN CHANSON gehalten. Ich hoffe, dass wir bald mit den Dreharbeiten beginnen können, nach dem Sommer oder vielleicht Anfang 2014.

T De Prins: Ich plane eine Tour mit dem Score Man Orchester für Ende April. Es wird 13, 14 Konzerte geben. Ich muss mich dafür sehr gut vorbereiten, weil ich auch neues Material schreiben will. Ich werde noch einige Albums mit Gruppen aus dem Weltmusikbereich produzieren. Ich will auch wieder Unterricht geben. Ich mag es. Ich will die junge Generation dazu bringen extremere Musik zu machen, als sie heutzutage hören.

S. Tsarouchas: Werden Sie mit Ihrem Orchester auch einmal nach Berlin kommen?

T. De Prins: Ich hoffe es. Ich muss hier einen Agenten finden (lacht).