Ende Oktober 2016 lud die INDAC, das ist die Vertretung der deutschen Animations‑ und VFX‑Szene zu einer Veranstaltung ins Soho Haus hier in Berlin ein.
Craig Gerber, der Schöpfer der Disney‑Animationsserie SOFIA DIE ERSTE, stellte seine neue Serie ELENA VON AVALOR vor. Beide spielen im selben Universum. Er sprach über die Entwicklung der Serie, von der ersten Idee, der grundlegenden Geschichte bis hin zu Recherchen über die Musik, dem Set‑Design sowie wie das Aussehen der einzelnen Charaktere entstand. Ich fand es sehr spannend!
Wenn ich mir so anschaue, was ARD, ZDF so mitproduzieren, habe ich schon starke Zweifel, das man da so viel Arbeit reinsteckt wie es Craig Gerber und sein Team tun.
ELENA VON AVALOR ist inzwischen mit großem Erfolg bei Disney in den USA gestartet. Bei uns wird die Serie Anfang 2017 vom Disney Channel gezeigt.
Stefanos Tsarouchas: Kevin Kliesch war der Komponist bei SOFIA DIE ERSTE – AUF EINMAL PRINZESSIN. Warum haben Sie ihn nicht auch für ELENA VON AVALOR genommen?
Craig Gerber: Kevin Kliesch hat ein tolle Arbeit bei SOFIA DIE ERSTE gemacht. Er hat übrigens auch Preise dafür gewonnen und ich liebe es mit Kevin zu arbeiten. ELENA VON AVALOR spielt in einer Märchenwelt, die auf Lateinamerikanische Kultur basiert. Wir wollten dazu einen einzigartigen Sund haben und dafür jemanden finden, der das Lateinamerikanisch Geführt in Bezug auf Orchestration und Komposition einbringt. Kevin war außer an SOFIA DIE ERSTE mit einer neuen Serie beschäftigt. Wir haben dann den Komponisten Tony Morales gefunden, der übrigens ein Protegé von Kevin ist. Tony hat einen fantastischen Job gemacht um die Welt von Avalor durch Musik zum Leben zu erwecken.
S. Tsarouchas: Es gab also keine Agentur, die nach einem Komponisten suchte?
C. Gerber: Nein. Wir haben eine Musikabteilung bei Disney Television Animation. Komponisten haben Beispiele mit ihren Vorstellungen eingeschickt. Man hat uns die Musik vorgespielt, ohne das wir die Komponisten kannten. Wir wurden gefragt, was uns am besten gefiel und so kamen wir auf Tony Morales.
S. Tsarouchas: Wie verläuft die Zusammenarbeit mit dem Komponisten? Bekommt er vorher das Drehbuch oder eine grobe Zusammenfassung einer Episode?
C. Gerber: Er kann sich gerne die Drehbücher anschauen, wenn er möchte, aber er ist zu beschäftigt. Wir arbeiten mit Tony so: wir schicken ihm eine Episode, die so weit wie möglich fertig gestellt ist und er beginnt mit seiner Arbeit.
Am Anfang des Prozesses wollten wir den Sound von Avalor haben. Wir haben Tony Morales dann eine grobe Animation gegeben zu der er dann Musik komponierte. Wir haben mit ihm darüber gesprochen und ihm gesagt, was uns davon gefällt. Das ging dann ein paar Mal hin und her. Dann hat er generelle Themen geschrieben. Als wir dann eine fertige Episode für Tony hatten, hatten wir schon eine sehr gute Vorstellung davon wie die Musik sein würde. Das war übrigens seine Idee, eine geniale Idee von Tony.
S. Tsarouchas: Sie haben das Titelthema bzw. den Text für die Lieder von SOFIA DIE ERSTE und ELENA VON AVALOR geschrieben.
C. Gerber: Ja, ich hatte das Glück Texter zu werden. Daran hatte ich nie gedacht. Ich liebe Musik. Mein ganzes Leben lang habe ich viel Musik gehört. Unser Liedschreiber John Kavanaugh hat an SOFIA DIE ERSTE und bei ELENA VON AVALOR gearbeitet. Es ist toll, was er mit meinen Texten macht.
Das Ganze war ein Zufall. Als ich zuerst an SOFIA DIE ERSTE arbeitete, gab es keine Musik. Es gab aber eine Szene mit der ich als Drehbuchautor Probleme hatte. Sofia entdeckt darin niedliche kleine Disney ähnliche Waldbewohner. Sie helfen Prinzessinnen, aber nicht ohne Grund. Sie suchen Nahrung und die Nahrung ist im Schloss. Das klang nicht so lustig wie ich es mir dachte, als ich die Szene schrieb. Ich habe den Sender angerufen und gesagt: „Kann ich es in einem Lied zeigen?“ Sie sagten: „Kein Problem, versuch es! Schreib einen Text!“ Ich schrieb also den Text für ein Lied, mit einer groben Melodie. Ich habe ihnen das Lied geschickt . Eine Woche später haben sie mich angerufen und gesagt: „Wir müssen über das Lied reden.“ Ich dachte nur, mein Gott!. Ich war total durcheinander, aber sie sagten, dass ihnen das Lied gefällt und ich doch drei, vier mehr schreiben sollte. Plötzlich war SOFIA DIE ERSTE ein Musical!
Manchmal stelle ich mir das Lied vor, das ich haben will. Ich weiss dann auch welche Musik ich haben will oder ich lerne mehr über die Musik um ein Gefühl für den Rhythmus zu bekommen. Ich schreibe den Text mit einer musikalischen Idee im Hinterkopf. John Kavanaugh schreibt dann eine bessere Melodie. Ich sage ihm aber nie, welche musikalische Idee mir vorschwebte, weil seine Melodie immer besser ist. So läuft es ab. Ich schreibe die Texte oder gebe meinen Autoren die Möglichkeit die Texte zu schreiben. Wir geben diese Worte dann John und er macht daraus ein Lied.
S. Tsarouchas: Wie wichtig sind die Lieder für die Entwicklung der Geschichte?
C. Gerber: Da wir bei Disney sind, kommt es so vor, als ob Musik ein wichtiger Teil der meisten Disneyfilme ist. Für mich ist es ein sehr wichtiger Teil der Show. Ich will die gleiche Erfahrung haben, wie beim Sehen der großen Disneymusicals. Dazu gehört aber auch, dass das Lied die Geschichte vorwärts bringen muss. Es muss einen Bezug zu Handlung geben. Das Lied muss andeuten, was eine Figur will, ob es nun unser Held ist oder der Bösewicht. Oder es ist ein Lied, wo zwei Leute etwas herausfinden. Oder das Lied macht etwas anderes, aber ohne dieses Lied, würde die Geschichte nicht weiter gehen. Wir versuchen also sicher zu stellen, dass einen starken Grund für die Liedsequenz in der Show gibt. Es geht nahtlos in das Lied hinein und auch wieder heraus.
S. Tsarouchas: Was können Sie über die Sprecher der Figuren erzählen?
C. Gerber: Die Sprecher in unserer Serie sind fantastisch. Wir haben wirklich viel Glück, vor allem mit Aimee Carrero. Sie spricht Elena und bringt so viel Wärme und Humor mit ein. Es ist schwierig nur mit seiner Stimme zu schauspielern. Beim Sprechen von Animationsfiguren hat man nur den Klang der eignen Stimme. Man muss sich wirklich „animieren“. Aimee kann das perfekt und sie kann wunderschön singen. Sie hat nie gedacht, dass sie so gut singen kann, aber sie hat eine wunderschöne Singstimme. Jenna Ortega spricht Elenas kleine Schwester Isabel. Jenna ist auch in der Serie STUCK IN THE MIDDLE, die beim Disney Channel gezeigt wird. Sie ist toll! Wir haben so viele talentierte Sprecher! Wir haben langjährige Schauspieler. Wir haben Constance Marie, die in GEORGE LOPEZ mitspielte. Wir haben Emiliano Diez, ich glaube, er hat da auch mitgespielt. Wir haben Julia Vera. Emiliano und Julia sprechen Elenas Großeltern. Yvette Nicole Brown, Chris Parnell und Carlos Alazraqui sind die drei fliegenden Jaguare, Elenas Freunde. Sie sind nicht nur sehr lustig, sondern sie singen auch, wie alle Anderen, die ich erwähnt habe.
S. Tsarouchas: Weshalb sind Sie so sehr an Lateinamerikanischer Kultur interessiert? Warum eine Lateinamerikanische Prinzessin, warum nicht eine Afrikanische?
C. Gerber: Nun, in meinem speziellen Fall ist es so, dass ich in Südkalifornien aufgewachsen bin. Dort gibt es einen großen Anteil an Latinos. Ich wuchs umgeben mit dieser Kultur auf. Ich fand sie immer faszinierend und inspirierend. Das verstärkte sich, als ich in meinen 20ern durch Südamerika reiste, all diese Länder besuchte und die Kultur noch besser kennenlernte. Ich arbeitete in der Welt der Disney Prinzessinnen und sah, dass es ein Bedürfnis nach einer Latino Prinzessin gab. Das hat mich dazu gebracht eine Geschichte zu finden aus der eine Serie entstehen könnte.
S. Tsarouchas: Elena ist keine „typische“ Disney Figur. Sie ist eine starke weibliche Figur. Liegt es vielleicht auch daran, dass wir mehr starke weibliche Charaktere in Kinofilmen haben wie z.B. Katness aus DIE TRIBUTE VON PANEM?
C. Gerber: Seltsamerweise bin ich schon sehr lange Drehbuchautor und ich hatte immer starke weibliche Figuren in meinen Filmen. Manchmal waren sie Nebencharaktere. Manchmal waren sie die Hauptfigur. Die Art wie ich weibliche Charaktere schreiben war für Disney unwiderstehlich. Es war für mich sehr wichtig eine Kindersendung mit einem guten Vorbild zu produzieren, einem entschlossenem Vorbild, zu dem Kinder aufschauen können. Ich glaube, die Figur von Elena als Anführerin war auch für mich persönlich sehr aufregend. Sie ist nicht nur die Anführrin in der Sendung, es geht auch um die Reise einer Heldin, die sonst nur männliche Charaktere unternehmen. Ich glaube, diese Art von Figur schreibe ich schon meine Karriere lang.
S. Tsarouchas: Wie kam Ihnen die Idee zur Serie. Gingen Sie vielleicht im Park spazieren?
C. Gerber: Nein. Es ist lustig, denn die Idee zu SOFIA DIE ERSTE hatte ich, als ich im Stau festsaß. Das passiert sehr oft in Los Angeles. Bei ELENA VON AVALOR war es so, dass ich für all diese Disney Prinzessinnen schrieb, weil sie in SOFIA auftauchen. Die Leute wollten diese oder jene Prinzessin sehen. Ich wollte immer eine Geschichte erzählen, die es noch nicht gab, die frisch und neu ist und die erzählt werden sollte. Ich fing an darüber nachzudenken, wie wohl eine Lateinamerikanische Prinzessin wäre. Wie würde die Geschichte aussehen? Ich habe nachgeforscht und nach Märchen gesucht wie man es bei Animationsfilmen macht. Ich konnte kein passendes Märchen finden, darum habe ich mein eigenes geschrieben.
S. Tsarouchas: Wie kommt ELENA VON AVALOR in den USA an? Spricht die Serie gleichermaßen Jungen und Mädchen an?
C. Gerber: Ja. Es ist wirklich toll, dass schon zu Beginn bei Testvorführungen mit Kindern, Jungen genauso auf die Geschichte reagierten wie die Mädchen. Ich glaube, es liegt daran, dass es sehr abenteuerlich zu geht. Elena mag Abenteuer und ihr passieren interessante Sachen. Ich glaube, Jungen reagieren darauf. Wir haben vor ein paar Tagen die Serie in Paris gezeigt. Danach gab es eine Autogrammstunde. Ich fand es etwas peinlich, weil es etwas seltsam ist, wenn jemand mein Autogramm haben will. Es kamen aber genauso viele Jungen wie Mädchen. Ich fand das sehr gut, denn ich mache die Serie für Mädchen und Jungen. Ich habe drei Jungen. Zwei sind alt genug um Fernsehen zu sehen. Sie schauen sich ELENA VON AVALOR an. Sie sehen auch SOFIA DIE ERSTE, weil ich die Serie für alle Kinder mache und es ist schön zu sehen, wenn Kinder auch tatsächlich zuschauen.
S. Tsarouchas: Wie ist die Anziehungskraft der Kultur? Glauben Sie, dass sie auch deutsche Kinder begeistern wird? Gibt es so etwas wie eine weltweite Anziehung?
C. Gerber: Nun, man weiß nie, was passiert! Unser Ziel ist es natürlich universelle Figuren zu erschaffen, mit denen sich jeder identifizieren kann und auch universelle Geschichten. Die besonderen Charaktere, die sie treffen und auch bestimmte Sachen in der Sendung haben eine Latinoherkunft. In den USA haben wir aber herausgefunden, dass Kinder jeder Herkunft die Sendung mögen. Kinder jeder Herkunft verkleiden sich als Elena. Meine Hauptdrehbuchautorin ist Silvia Cardenas Olivas. Sie ist Mexikanisch‑Amerikanischer Herkunft. Sie ist richtig begeistert, dass es eine Prinzessin gibt, die ihre Kultur repräsentiert. Sie will aber auch universelle Geschichten erzählen. Ich glaube, wenn man eine universelle Geschichte erzählt zu der alle eine Beziehung herstellen, ist es eigentlich egal, woher man kommt. Das macht sie einzigartig. Wichtig ist nur, was für ein Typ von Figur sie sieht und die Art der Geschichte.
S. Tsarouchas: Sie haben einen musikalischen und auch einen kulturellen Berater für die Sendung. Wozu?
C. Gerber: Nun, es ist wichtig Berater und Experten zu haben, die Wissenslücken füllen. Wir haben unser eigenes Wissen, unsere eigene Erfahrung. Es gibt eine bestimmte Fähigkeiten, die ich miteinbringen kann. Das bedeutet aber nicht, dass wir alles über Latinokultur oder Geschichte wissen. Ich kann so viel recherchieren wie ich will, aber ich finde es immer noch wichtig Berater an Bord zu haben, die Experten auf ihrem Gebiet sind. Sie können uns sagen, ob wir etwas nicht richtig hinbekommen. Sie können uns Ideen geben, an die wir nicht gedacht haben. Was nun die Musik angeht, egal wie viel ich Musik bisher gehört habe, ich kenne sicher nicht alle Unterarten der Latinomusik. Es ist deshalb sehr hilfreich, wenn jemand sagt, das ist ein Cumbialied, ein Vallentatolied usw. Das ist Musik aus Kolumbien, Venzuele, Bandamusik aus Mexiko usw. Es gibt so viele verschiedene Arten von Musik. Wenn nun jemand sagt, hier sind viele Lieder und das repräsentiert diese Lieder, hilft es mir in der Serie, die verschiedenen Arten von Musik darzustellen, die ich vorher vielleicht nicht kannte.
S. Tsarouchas: Disney bringt viele Trickfilmklassiker als Realfilme in die Kinos. Wenn man Sie fragen würde, ob es auch eine Realfassung von ELENA geben sollte, würde Sie „Ja“ sagen?
C. Gerber: Ja, warum nicht. Ich liebe die Figuren und die Geschichte. Wir verwenden viel Zeit und Mühe damit es eine großartige Serie wird. Wir hoffen, dass es sie noch sehr lange Zeit geben wird um die ganze Geschichte zu erzählen, die wir uns vorgenommen haben. Trotzdem wäre es sicher wunderschöne eine reale Version von Avalor und der fliegenden Jaguare zu sehen. Das wäre wirklich super! Oh ja, sie haben meine Telefonnummer. Sie können mich gerne anrufen!
S. Tsarouchas: Wie lange dauert es eine Episode fertig zu stellen?
C. Gerber: Es dauert 18 Monate von der ersten Idee bis zur Ablieferung. Manchmal dauert es ein bisschen länger. Wir arbeiten immer gleichzeitig an mehreren Episoden. Wir schreiben vielleicht an 12 Folgen. Fünf andere sind in der Post-Produktion und fünf weitere werden gerade produziert. Jeden Tag beschäftige ich mich auf die einer oder andere Art und Weise bestimmt mit 10 verschiedenen Episoden
S. Tsarouchas: In der Regel werden Animationsfiguren nicht älter. Werden sie hier älter?
C. Gerber: Das ist eine sehr gute Frage. Unsere Figuren werden altern. Die Frage ist nur, ob wir ihr Aussehen ändern oder nicht. Bei Elena ist es vielleicht nicht nötig, aber bei Isabelle, die noch sehr jung ist. Es wird sicher einen Punkt geben, wo sie sich ändern wird, wenn sie statt 10 Jahre, 14 oder 15 Jahre alt sein word. Hoffentlich werden wir das sehen.
S. Tsarouchas: Das mag jetzt eine seltsame Frage sein, Elenas Großeltern leben noch, wessen Eltern sind sie?
C. Gerber: Das ist eine andere großartige frage. Sie sind die Eltern von Elenas Mutter. Wären sie die Eltern des Vaters, hätte einer Anspruch auf den Thron.
Elenas Cousin Esteban, der ja der Enkel ist, wäre sonst ja auch Anwärter auf den Thron. Es sind also die Eltern von Elenas Mutter.