Stefanos Tsarouchas: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Filmkomponisten Akis Daoutis?
Konstandinos Giannaris: Sie begann mit dem Film AM RANDE DER STADT, den ich in Griechenlang gedreht habe. Ich traf ihn durch Zufall. Ich glaube, er wurde mir vorgestellt. Akis war ein "verrückter" Musiker, der zuviel Haschisch rauchte. Er spielte aber viele Instrumente, und er ist ein sehr talentierter "nicht-elektronischer" Musiker. Akis arbeitet mit traditionellen Instrumenten. Ich mag das sehr. In meinem letzten Film AM RANDE DER STADT war die Musik sehr elektronisch, viel Club und House, Techno-mäßig um die Lebensart der jungen griechischen Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion darzustellen. In meinem neuen Film ONE DAY IN AUGUST geht es um ein breiteres Spektrum der griechischen Gesellschaft. Deshalb gibt es in diesem Film auch eine Musik, die viele Griechen erkennen, einen Score mehr im Stil der traditionellen griechischen Musik. Ich wollte etwas ganz besonderes, etwas sehr schönes mit Variationen des Hauptthemas. Die Zusammenarbeit mit Akis ist sehr gut. Er ist ein zuverlässiger Mitarbeiter, und wir geben uns gegenseitig viele neue Anstöße.
S. Tsarouchas: Sie zeigen in ONE DAY FROM AUGUST drei Familien. Die sympathischste ist die mit den beiden Kindern ...
K. Giannaris: ... die Kinder, ja ...
S. Tsarouchas: Warum?
K. Giannaris: Es ist einfach zu erklären, warum wir uns gerade mit dieser Familie identifizieren. In dieser Familie geht es darum Menschen zu beschützen. Es geht um eine Familie, die Probleme hat. Die kleine Tochter ist schwer krank. Sie haben ganz offensichtlich Probleme in ihrer Beziehung. Der Vater ist Seemann und wahrscheinlich die Hälfte des Jahres nicht zuhause. Dann kommt er zurück und hat kaum einen Draht zu seinem Sohn. Es gibt Schwierigkeiten in der Familie, aber sie halten am Ende zusammen. Es ist ihre absolute Liebe, ob es nun die Liebe des Vaters oder der Mutter ist. Die Kinder mögen ihre Eltern vielleicht nicht, aber sie lieben sie. Die anderen Paare sind genauso menschlich, aber möchten Sie gerne eine Frau sehen, die ihren Liebhaber verläßt. Es ist keine positive Figur . Sie ist sehr realistisch. Es geht um das Leben. Wir haben es alle getan. Wir haben Menschen, die wir geliebt haben, aus egoistischen oder anderen Gründen in Stich gelassen. Das ist nicht unbedingt das, was wir sehen wollen oder bzw. uns mit dieser Seite identifizieren wollen. Nehmen Sie Katja und Kosta, das Paar aus der Mittelschicht. Sie sind sehr gebildet, sehr Bourgeoise, sehr post modern, sie tun so, als ob sie über alles miteinander reden können. Am Ende ist es jedoch alles nur Charade. Es ist eine Fassade, eine Lüge. Am Ende ist Kosta, der immer liberal war, zynisch, ironisch und post modern, der jenige, der nie mit seinem Herzen gefühlt hat. Er ist immer rational, so wie ich auch (lacht). Auf eine bestimmte Art und Weise bestrafe ich mich in dem ich ihn bestrafe....
S. Tsarouchas: Griechenland ist in manchen Dingen von anderen Ländern abgeschottet. Ich denke da an Glykeria, die zwei Lieder singt. Nur Griechen kennen diese Musik. Wie steht es um den Film und das griechische Kino ...
K. Giannaris: ...ob man die griechische Musik besser kennenlernt ...
S. Tsarouchas: ... oder griechische Filme. Ich glaube nicht, daß Ihr Film einen deutschen Verleiher finden wird.
K. Giannaris: Meinen Sie?
S. Tsarouchas: Ich weiß nicht. Ich habe in den letzten fünf Jahren keinen griechischen Film in deutschen Kinos gesehen.
K. Giannaris: Wir müssen eine Antwort auf dem Filmmarkt bekommen um den Film hier herauszubringen. AM RANDE DER STADT hat einen deutschen Verleiher gefunden. Der Film wurde auch in Italien, Großbritannien und Japan gezeigt.
S. Tsarouchas: Ist ONE DAY IN AGUST ein zu griechischer Film? Konzentriert sich das griechische Kino eher auf das eigene Land, auf die Griechen?
K. Giannaris: Ich glaube schon, daß man sich ein wenig auf Griechenlang konzentreiert. Ich glaube, es gibt ein Problem mit bestimmten Filmemachern, der älteren Generation, die das Publikum aus den Augen verloren haben, ob es nun ein griechisches oder ein fremdes Publikum ist. Sie haben kein Interesse zu dem Publikum zu sprechen. Sie sind mehr oder weniger nur mit dem beschäftigt, was sie tun. Das war ein Problem. Sie hbaen nicht einmal das sehr gut getan. Man sagt, ah was für ein schöner künstlerischer Film, aber wow, der ist stark oder das funktioniert, aber es war im Ganzen nicht sehr gut. Für mich haben solche Filme nie das griechische Publikum angesprochen. Sie sprechen auch nicht die Leute vor Ort an. Ich glaube nicht, daß solche Filme auch ein fremdes Publikum begeistertn. Was die Musiker angeht, wir haben in Griechenland fantastische Musiker. Wir haben eine große musikalische Tradition, die Jahrhunderte alt ist. Ich hoffe, daß die Leute außerhalb Griechenlands durch diesen Film begreifen, das es eine moderne griechische Musik gibt, die eine gute Qualität hat, einen guten Level. Griechische Musik ist nicht nur Theodorakis ZORBA oder Chasapiko oder sirtaki, die traditionelle Folklore.
S. Tsarouchas: Glauben Sie, daß das Europäische Film Programm das griechische Kino fördern kann?
K. Giannaris: Nur wenn die Griechen es ausnutzen und es auf die richtige Art und Weise verwenden. IDie Instrumente für die jungen griechischen Filmemacher sind da um seriöse Filme in Griechenland und ausserhalb zu drehen, aber es liegt an ihnen sich mit guten Drehbüchern an die Arbeit zu machen, mit Schauspielern gut zu arbeiten und gute, kohärente Filme zu machen. Es gibt keine Wunder. Filme drehen ist harte Arbeit. Man muß ernsthaft darüber nachdenken, was man im Film und im Kino sagen will.
Das Interview fand am 14. Februar 2002, während der Berlinale statt.