Stefanos Tsarouchas: Können Sie ein bisschen von sich erzählen?
Olivier Bernet: Ich habe mir Musik spielen selbst beigebracht. Ich bin Audiodidakt. Als Teenager habe ich angefangen in Rock Bands zu spielen, darum habe ich mir eigentlich selbst beigebracht ein Instrument zu spielen. Ich habe eine Katze (Sie miaut, Anm.). Ich hatte die Möglichkeit bei PERSEPOLIS als Komponist zu arbeiten. Davor habe ich Musik für Kurzfilme geschrieben. Seit dem bin ich Filmkomponist, weil Rockmusik keine Rechnungen bezahlt.
S. Tsarouchas: Haben Sie Filmmusik studiert oder vielleicht klassische Musik?
O. Bernet: Nein. Ich habe mich immer für's Arrangement interessiert. Zuerst habe ich Musik für meine Bands zu arrangieren. So fing ich an mehr zu machen als nur Rock'n'Roll.
S. Tsarouchas: Warum leben Sie in Berlin?
O. Bernet: Ich habe vorher in Bordeaux gelebt. Das ist eine tolle Stadt. Es ist aber auch eine kleine Stadt. Nach einer Weile wollte ich etwas anderes sehen. Ich wollte nicht nach Paris, weil das eine stressige Stadt ist. In Berlin war ich während meines Urlaubs um meine Schwester zu besuchen, die damals hier wohnte. Mir hat es sehr gefallen, darum entschloss ich mich nach Berlin zu kommen.
S. Tsarouchas: Laut IMDB haben Sie 2004 mit RAGING BLUES die erste Filmmusik geschrieben. Wie kam es dazu?
O. Bernet: Einer der Regisseure von PERSEPOLIS, Vincent Paronnaud, ist auch der Regisseur von RAGING BLUES. Er ist ein Schulfreund von mir. Wir haben gemeinsam begonnen in Rock Bands zu spielen und er sagte mir mal, ich sollte Filmmusik machen, weil ich begabt bin. Er wurde später Regisseur. Er zeichnet auch sehr gute Comics. Er ist so etwas wie ein Genie und ein sehr guter Freund. Als er Regisseur wurde, fragte er mich immer Musik für seine Kurzfilme und seine Ausstellungen zu schreiben. Mit Marjane Satrapi war er Co-Regisseur von PERSEPOLIS. Er hat mich damals Marjane empfohlen. So habe ich sie kennen gelernt. Vincent Paronnaud hat den Produzenten davon überzeugt, dass ich der richtige Mann für den Job bin. Ich bin ihm sehr dankbar. Wir sind immer noch Freunde und manchmal arbeiten wir noch zusammen.
S. Tsarouchas: Wie haben Sie sich für ihre erste Filmmusik vorbereitet?
O. Bernet: RAGING BLUES war wirklich Low Budget. Ich hatte damals nicht so viel Equipment. Ich hatte nicht einmal einen Computer, weil ich ein armer Rockmusiker war. Ich hatte nur einen Synthesizer und einen 4-Spur Rekorder. Es gab damals keine großartige Vorbereitung. Ich hatte nur ein paar Sachen, die ich verwenden konnte und damit habe ich die Musik gemacht.
S. Tsarouchas: Hat sich Ihre Arbeitsweise seit damals geändert?
O. Bernet: Nein, eigentlich nicht. Heute arbeite ich aber an größeren Projekten. Am Anfang waren es kleine Filme, Low oder No Budget. Ich konnte zwei Monate daran arbeiten, wenn ich wollte oder auch nur zwei Tage. Das hing von mir ab. Heute arbeite ich an Big Budget Filmen, manchmal auch an Underground Projekten mit meinem alten Freund Vincent Paronnaud.
S. Tsarouchas: Arbeiten Sie jetzt vielleicht schneller?
O. Bernet: Nein. Zum Beispiel an THE VOICES habe ich fast ein Jahr gearbeitet, weil das Projekt so groß war. Es war auch das erste Mal, dass ich mit Amerikanern, amerikanischen Produzenten gearbeitet habe. Sie haben nicht die gleiche Vorstellung von künstlerischer Freiheit. Das war ein bisschen wie ein Kampf.
S. Tsarouchas: THE VOICES ist Ihre dritte Zusammenarbeit mit Marjane Satrapi. Laut IMDB haben Sie nicht die Musik für LE BANDE DES JOTAS (2012) geschrieben. Warum nicht?
O. Bernet: Das weiß ich nicht. Marjane hat mich nicht gefragt. Ich habe den Film nie gesehen. Ich habe aber gehört, das es kein ernsthafter Film von Marjane war. Vielleicht dachte sie, ich wäre nicht interessiert. Ich weiß nicht. Ich hätte schon Interesse gehabt. Ich glaube, einer ihrer Freunde hat die Musik geschrieben. Vielleicht wollte sie einem ihrer Freunde die Chance geben den Soundtrack zu machen.
S. Tsarouchas: THE VOICES ist eine US / Deutsche Koproduktion. Wissen Sie, ob die Produzenten vielleicht einen amerikanischen Komponisten haben wollten?
O. Bernet: Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass Marjane mich für die Musik haben wollte. Ich weiß nicht, ob die Produzenten glücklich sind oder nicht, aber Marjane ist glücklich! Ich glaube, die Musik funktioniert.
S. Tsarouchas: Wann hat Marjane Satrapi mit Ihnen darüber gesprochen, dass Sie die Musik für THE VOICES schreiben sollten?
O. Bernet: Eigentlich hat mir zuerst meine Agentin von dem Film erzählt. Sie sagte mir, dass Marjane einen neuen Film machen wird. Ich soll sie anrufen. Ich hab Marjane angerufen und gesagt, dass ich von dem Film gehört habe. Sie sagte mir, natürlich wirst Du die Musik machen. Ich glaube am Anfang sagte sie mir, dass sie vielleicht 70'er Funkmusik für den Film haben wollte. Sie war sich noch nicht sicher, ob sie eine Filmmusik brauchen würde. Sie dachte daran vorhandene Musik zu verwenden: alten 70'er Jahre Funk, Disco, so etwas in der Art. Das war ihre erste Idee.
S. Tsaoruchas: Haben Sie in THE VOICES vielleicht eine kleine Rolle?
O. Bernet: Nein. Das ist eigentlich sehr lustig. Es gibt diesen Chinesen, der im Restaurant singt, eine Art Elvis Imitator. Ich bin aber derjenige, der singt. Das ist meine Stimme. Der Chinese singt, aber man hört mich. Das ist witzig.
S. Tsarouchas: Konnte er nicht singen? Mussten Sie deshalb einspringen?
O. Bernet: Die Sache ist, er macht gleichzeitig eine Karatedemonstration. Er ist ein Karate-Typ und vielleicht konnte er nicht singen. Ich weiß nicht.
S. Tsarouchas: Das ist ja seltsam. Wann haben Sie eigentlich angefangen die Musik zu schreiben? Hat Marjane Satrapi Ihnen das Drehbuch geschickt und dann haben Sie angefangen zu komponieren?
O. Bernet: Ja, sie hat mir das Drehbuch geschickt. Ich habe dann mit einigen Ideen angefangen. Zuerst dachte sie ja an Funk. Ich habe also ein bisschen darüber nachgedacht einen Art Funk orientieren Soundtrack zu schreiben. Aber am Ende war das keine gute Idee und es hat nicht wirklich funktioniert. Ich habe dann diese Idee verworfen.
S. Tsarouchas: Brauchen Sie Bilder um Musik zu schreiben oder reicht Ihnen schon das Drehbuch um Ideen zu bekommen?
O. Bernet: Es ist ein bisschen eine Mischung aus beidem. Ich habe Musik geschrieben, die sie mochte und für den Film haben wollte, bevor ich die Bilder sah. Einiges habe ich erst nach Beginn der Dreharbeiten geschrieben und dann hatte ich die Bilder.
S. Tsarouchas: Waren Sie vielleicht bei den Dreharbeiten dabei und haben zugeschaut?
O. Bernet: Nein, ich war nicht dabei. Das war viel Stress für sie. Ich dachte mir, es ist besser nicht hinzugehen. Ich war damals bei den Dreharbeiten von HUHN MIT PFLAUMEN in Babelsberg. Ich wusste, wie es ist: Es ist eine Menge Arbeit. Sie haben so oder so keine Zeit mit dir zu sprechen. Sie konzentrieren sich auf das, was sie machen. Ich dachte mir, es ist besser zu Hause zu bleiben und ein bisschen Musik zu schreiben.
S. Tsarouchas: Es gibt ungefähr acht Lieder im Film. Darunter ist auch eine Fassung von „Sing A Happy-Song“. Das Lied wird am Ende von den Darstellern und auch Ihnen gesungen. Warum wurde nicht ein neu komponiertes Lied von Ihnen am Ende des Films verwendet?
O. Bernet: Das weiß ich nicht.
S. Tsarouchas: Stand diese letzte Szene mit dem Lied auch im Drehbuch?
O. Bernet: Ja, sie war im Drehbuch, aber ich weiß nicht, ob sie von Anfang an drin stand. Marjane hat das Drehbuch bearbeitet. Ich weiß also nicht, ob es ihre Idee war oder nicht. Das erste Lied, das sie haben wollten, war aber „Dance to the Music“ von Sly and the Familystone. Das war für den Anfang vorgesehen. Das Problem waren aber die Rechte. Man verlangte extrem viel Geld dafür, darum haben sie „Sing A Happy-Song“ genommen. Das ist ein obskurer Track, wenn auch ein sehr guter. Die Funk-Band, The O'Jays ist auch nicht so bekannt. The O'Jays sind großartig und das Lied war viel billiger. Ich glaube, sie wollten zu einem Zeitpunkt etwas richtig Altmodisches haben. Es ist wirklich schwer heutzutage solche Vibes zu erzeugen, wenn man nicht das gleiche Equipment hat. Ich bin auch nicht Schwarz und auch kein Amerikaner.
S. Tsarouchas: Die Fassung von „Sing A Happy-Song“ am Ende funktioniert auf jeden Fall für mich. Die Szene ist witzig. Vielleicht regt sich nur jemand wegen der Darstellung von Jesus auf.
O. Bernet: Die Fassung ist aber auch kitschiger als das Original. Ich will damit sagen, wir haben versucht den Song zu covern. Unsere Fassung ist aber nicht so „schmutzig“ und funky wie das Original. Sie ist gut, aber anders. Sie hat nicht den selben Groove.
S. Tsarouchas: Ich glaube, Sie haben vier oder fünf der Lieder im Film geschrieben.
O. Bernet: Ich weiß nicht, weil ich auch Lieder geschrieben habe, die am Ende nicht verwendet wurden, weil die Szenen nicht mehr drin sind.
S. Tsarouchas: War es eigentlich von Anfang an so, dass Sie Lieder schreiben oder lag es daran, dass die Rechte zu teuer waren und es billiger war, wenn die Lieder von Ihnen kommen?
O. Bernet: Am Anfang sollte ich viele Songs covern. Das war ein Kompromiss. Es war billiger zu covern, aber auch die Cover waren zu teuer. Zum Beispiel sollte es eine Version eines Elvis Songs für die Szene im chinesischen Restaurant geben. Marjane wollte, dass ein Chinese „Tutti Frutti“ singt. Sie fand es sehr lustig, wenn man mit chinesischem Akzent „Tutti Flutti“ hört. Das war aber zu teuer. Am Ende habe ich dann diese Rockabilly Nummer komponiert. Irgendetwas was Chinesisch klang.
S. Tsarouchas: Können Sie etwas zu den Liedern sagen und wo sie verwendet werden? THE VOICES beginnt mit „Don't mess with Milton". Gab es das Lied im Drehbuch? Man brauchte es ja dann bei den Dreharbeiten.
O. Bernet: Das Lied stand nicht im Drehbuch. Das war eine Idee von Marjane für die „Opening Titles“. Sie sagte, warum nehmen wir nicht ein Lied, einen Werbesong für Milton? Es war also ihre Idee, so ein Lied zu haben. Ich habe Text und Musik geschrieben und ihr das Lied vorgeschlagen. Sie freute sich. Ich glaube, es ist eine gute Idee.
S. Tsarouchas: Wie hat sie mit Ihnen über das Lied gesprochen? Hat sie gesagt, ich brauche einen Lied mit dem Wort „Milton“ darin?
O. Bernet: Ja, so ähnlich. Sie sagte, sie wollte einen Werbesong.
S. Tsarouchas: Mit „Knock on another door“ haben wir ein weiteres Lied von Ihnen.
O. Bernet: Zuerst sollte es da ein Lied von Kris Kristofferson geben, aber das war zu teuer. Ich schrieb ein neues Lied. Ein klein wenig bin ich aber darüber enttäuscht. Die Szene war vorher viel länger. Dafür habe ich ein Lied mit drei Versen geschrieben. Am Ende hört man das Lied aber nur für 10 Sekunden. Man hört nur zwei Sätze und das war's! Ich habe viel Zeit für dieses Lied verwendet, das man dann nur 10 Sekunden hört. Das macht eigentlich keinen Sinn, weil man es nur kurz hört und nicht die ganze Geschichte.
S. Tsarouchas: In welcher Szene hört man es? Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.
O. Bernet: Ryan Reynolds sitzt weinend in seinem Auto. Er war in diesem chinesischen Restaurant und dachte, dass er eine Verabredung mit Fiona hat, aber sie kam nicht. Er sitzt also weinend in seinem Auto. Marjane hat mich dann gefragt, ob ich ein Lied über Julia, Fiona schreiben kann Ich habe also dieses herzzerreißende Lied geschrieben und im Film hört man es dann nur für 10 Sekunden.
S. Tsarouchas: Dann haben wir „Like a dog“.
O. Bernet: Sie brauchte Musik für eine typische amerikanische Bar. Sie sagte, kannst Du eine Countrynummer oder etwas Ähnliches schreiben? Das Lied sollte nur im Hintergrund zu hören sein und es ist auch im Hintergrund. Sie fand das Lied aber so gut, dass sie es noch einmal am Ende des Films, beim Abspann, verwendet, auch weil es „Like a dog“ heisst und es einen Hund in dem Film gibt.
S. Tsarouchas: Sie haben eine Katze (und es gibt auch eine im Film, Mr. Whiskers, Anm.). Aber es gibt kein Lied für eine Katze.
O. Bernet: Das ist wahr.
S. Tsarouchas: „A Girl Named Li“.
O. Bernet: Das ist die Szene im Chinesischen Restaurant mit dem Elvis Imitator. Wie ich schon sagte, sollte da „Tutti Frutti“ von einem Chinesen mit chinesischem Akzent gesungen werden, aber die Rechte waren viel zu teuer.
S. Tsarouchas: Es gibt auch Hintergrundmusik in anderen Restaurants und vom Fernseher. Haben Sie auch dafür die Musik komponiert?
O. Bernet: Ja.
S. Tsarouchas: Jede Quellenmusik ist von Ihnen?
O. Bernet: Ja, ich glaube schon. Die einzige Musik, die ich nicht komponiert habe, ist „Sing A Happy-Song“. Der Rest ist von mir.
S. Tsarouchas: Im Abspann steht, dass Stars Score Holdings der Rechteinhaber Ihrer Lieder ist. Mussten Sie ihnen die Rechte verkaufen oder stand es in Ihrem Vertrag?
O. Bernet: Ich weiss nicht mehr. Meine Agentin hat viel dafür gearbeitet, dass ich mehr Geld, so viel wie möglich, bekomme. Am Anfang sollte ich ja nicht all diese Lieder schreiben. Als das dann klar, das ich diese Extrakompositionen machen musste, sagte sie, dass Olivier jetzt Geld für das und das bekommen muss. Ja, sie ist eine großartige Agentin.
S. Tsarouchas: Das ist sehr gut!
O. Bernet: Ja, ohne sie hätte ich sicher gesagt:, dass ist schon in Ordnung, ich mach es, kein Problem!“
S. Tsarouchas: Wird es eine Soundtrackveröffentlichung von Varèse Sarabande geben? Eine CD oder nur als Download?
O. Bernet: Ich bin mir nicht sicher. Ich hoffe es ist eine CD. Vor ungefähr zwei Wochen haben sie mich nach den WAV-Dateien gefragt. Ich hab sie hingeschickt und gefragt, ob sie für eine CD sind. Sie haben darauf nicht geantwortet.
S. Tsarouchas: Wurde temporäre Musik für THE VOICES verwendet?
O. Bernet: Nein, nicht das ich wüsste. Sie haben mit den Demos begonnen, die ich am Anfang gemacht habe. Am Ende klingt es natürlich ganz anders, aber sie haben meine Musik verwendet.
S. Tsarouchas: Wie war es bei PERSEPOLIS und HUHN MIT PFLAUMEN? Wurden auch Ihre Demos für den Rohschnitt verwendet und dann haben Sie die endgültige Musik geschrieben?
O. Bernet: Nein. Bei HUHN MIT PFLAUMEN haben sie ganz viel klassische Musik verwendet. Das war ein bisschen schwierig für mich, weil man die Animation mit klassischer Musik hört. Es schüchtert ein bisschen ein, weil das alles Genies sind. Man vergleicht sich mit ihnen. Das ist schrecklich! Am Ende bin ich aber mit dem Soundtrack zu HUHN MIT PFLAUMEN glücklich.
S. Tsarouchas: Und bei PERSEPOLIS?
O. Bernet: Das liegt schon länger zurück. Ich weiß nicht mehr.
S. Tsarouchas: War es bei HUHN MIT PFLAUMEN leichter für Sie die andere Musik zu haben? Oder ist es für Sie als Komponist nicht so gut, weil alle schon diese Musik gehört haben?
O. Bernet: Es war auf eine Art gut, weil ich verstand, was sie haben wollten. Auf die andere Art war es schlecht, weil ich ein bisschen unter Druck stand.
S. Tsarouchas: Wie komponieren Sie Musik? Sie bekommen das Drehbuch und was dann? Gehen Sie auf der Straße spazieren oder sitzen Sie vor ihrem Rechner und spielen etwas auf dem Synthesizer?
O. Bernet: Nein, ich gehe draußen nicht spazieren. Ich sitze stundenlang vor dem Rechner. Da ich mir Musik selbst beigebracht habe, habe ich immer das Gefühl, dass ich mich mehr anstrengen muss als klassisch studierte Musiker. Ich verbrauche Stunden vor dem Rechner Sachen auszuprobieren, verschiedene Sache, alle Möglichkeiten.
S. Tsarouchas: Hat Ihnen Marjane Satrapi eine grobe Richtung vorgeben, was die Musik angeht, die sie haben wollte?
O. Bernet: Nicht wirklich, weil sie mir viel vertraut. Marjane ist sehr enthusiastisch, auch mit meiner Arbeit. Meistens ist sie immer sehr glücklich. Nach dem ersten Moment und wenn sie die Musik mit den Bildern probiert, kommt sie vielleicht nach zwei Monaten wieder und sagt, es klappt nicht. Zuerst ist sie aber immer enthusiastisch.
S. Tsarouchas: Ist es nicht ein bisschen schwer für Sie als Musiker, wenn sie nicht genau sagt, was sie will? Ein bisschen Country, Blues oder elektronische Musik?
O. Bernet: Nein, nein, sie sagt schon, was sie will. Ich versuche das zu machen, was sie mir erzählt hat, aber sie ist immer sehr glücklich mit dem was ich tue.
S. Tsarouchas: Sie probieren also ihre Musik aus und dann sagt sie, dass sie mehr Blues oder Country will?
O. Bernet: Ja. Sie hat sehr viele Ideen, was Musik angeht, weil sie Musik mag und sich sehr gut auskennt. Es ist sehr angenehm mit ihr zu arbeiten. Sie hat eine klare Auffassung von Musik und das ist cool.
S. Tsarouchas: Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich nicht weiß, ob ich Musik oder Soundeffekte höre. Zum Beispiel am Anfang beim Lied über Milton, dass die Maschinen den Rhythmus machen.
O. Bernet: Das waren die Sound Effekts Leute.
S. Tsarouchas: Bei manchen Filmen ist es so, dass Komponisten mit Sounddesign zusammen arbeiten. Die Idee dahinter ist dann, dass Musik und Sounddesign ein musikalisches Stück sein soll.
O. Bernet: Wir haben das bei „Don't mess with Milton“ für die Opening Credits gemacht. Ich habe ihnen die Musik geschickt und das Tempo angegeben. So haben wir zusammen gearbeitet.
S. Tsarouchas: Haben Sie versucht Themen für die Personen oder Ryan Reynolds Stimmung zu etablieren, wenn er zum Beispiel Gemma Arterton als Engel sieht?
O. Bernet: Ja, natürlich!
S. Tsarouchas: Wie haben Sie das gemacht? Wenn er sie als Engel sieht oder wir so etwas wie ein Liebesthema haben, erklingt eine Melodie wie für Kinder.
O. Bernet: Wie ein Wiegenlied oder so? Dieses Wiegenlied hat mir Marjane am Telefon vorgesungen. Sie sagte mit, dass sie diese Idee hat, Jerry und Fiona. Ich habe dann etwas mit dieser Melodie aus zwei Tönen komponiert.
S. Tsarouchas: Ich habe auch den Eindruck gewonnen, dass der Score eine Mischung aus echten Instrumenten und Synthesizer ist. Stimmt das?
O. Bernet: Ja, ich habe ein bisschen F/X verwendet, auch das Sounddesign Team. Darum wissen Sie manchmal nicht, ob es Sounddesign oder Musik hören.
S. Tsarouchas: Sie haben zwei Orchester, das Berlin Score Orchestra und dann das Hamburg Brass Ensemble für die Musik genommen. Warum?
O. Bernet: Wir brauchten einen Rockbläser oder Funkbläserteil für „Sing a Happy-Song“ und so weiter. Zusammen mit Roman Vinuesa, dem Arrangeur mit dem ich arbeite, haben wir beschlossen, dass wir das Brass Ensemble brauchten um dem Soundtrack einen besonderes musikalisches Flair zu geben. Mit dem Hamburg Brass Ensemble haben wir auch gearbeitet, weil Roman Vinuesa in Hamburg lebt. Er kennt dort sehr viele Musiker.
S. Tsarouchas: Wie lange haben Sie gebraucht um die Musik einzuspielen?
O. Bernet: Das ging eigentlich ganz schnell. Vielleicht zwei Tage für das Orchester und zwei Tage für die Blechbläser. Sie kamen für die Aufnahmen nach Berlin. Vorher war ich in Hamburg und habe in einem kleinen Studio die Percussions, Bassgitarren und Vocals aufgenommen. Vielleicht zwei oder drei Tage in Hamburg und in weniger als einer Woche hatten wir die Musik eingespielt.
S. Tsarouchas: Haben Sie vielleicht etwas geändert, weil der Sound nicht so war, wie Sie erwartet haben?
O. Bernet: Nein.
S. Tsarouchas: Wie viel Musik haben Sie für den Film komponiert und wie viel ist davon letztendlich zu hören?
O. Bernet: Das kann ich nicht sagen. Ich glaube, dass meiste ist im Film. Manchmal ist es vielleicht kürzer wie das Lied „Knocking on another Door“, nur 10 Sekunden von drei Minuten.
S. Tsaoruchas: Wie ist Marjane Satrapi als Regisseurin? Will sie eher mehr oder weniger Musik in Filmen haben?
O. Bernet: Nein, sie mag Musik im Film. Sie ist immer sehr froh ein bisschen Musik zu haben, aber ich glaube, sie verwendet Musik nur, wenn sie etwas Zusätzliches zu den Bildern beiträgt. Wenn sie im letzten Moment glaubt, das passt nicht, wir brauchen da keine Musik, wird die Musik weg gelassen. Ich glaube, es ist richtig, dass sie es macht.
S. Tsarouchas: Sie haben gesagt, Sie haben sich Musik selbst beigebracht. Ich glaube, das ist manchmal von Vorteil, weil Sie offener für Experimente sind als ein klassischer Komponist, der vielleicht im Stil von Tschaikowski oder Wagner trainiert wurde.
O. Bernet: Das kann ich nur schwer beantworten. Diese Diskussion habe ich manchmal mit klassisch studierten Musikern. Ich sage ihnen, dass es manchmal schwer für mich ist, nicht mehr über Musik zu wissen. Darum ist es anders, was sie machen. Ich wünschte mir, ich könnte mehr wissen, aber jetzt ist es zu spät. Ich bin zu alt. Ich mag es auch Rock zu spielen, ohne großartig darüber nachzudenken, einfach was Schönes spielen oder Musik für Filme zu schreiben. Ich gebe mein Bestes.
S. Tsarouchas: Ich bin der Meinung, dass wir zur Zeit zwei Strömungen bei Filmmusik haben. Leite, die klassisch ausgebildet sind, Komponisten wie Alexandre Desplat und andere. Mit Draft Punk und Ihnen haben wir dann die Leute, die keine Filmmusik studiert habe, nicht klassisch ausgebildet sind, aber Arbeit als Filmkomponisten bekommen, weil sie vielleicht mehr Ideen haben oder mehr improvisieren können. Ich weises nicht.
O. Bernet: Ich weiß es auch nicht. Ich kann dazu nichts sagen.
S. Tsarouchas: Bei dem Score zu THE VOICES spielen Sie Gitarre und singen auch. Haben Sie auch bei PERSEPOLIS und HUHN MIT PFLAUMEN Musik gespielt?
O. Bernet: Ja, natürlich. Bei PERSEPOLIS habe ich viel Musik gespielt, weil das Musikbudget nicht so groß war. Bei HUHN MIT PFLAUMEN weiss ich es nicht mehr so genau. Ich habe sicher bei einigen Tracks mitgespielt.
S. Tsarouchas: Sie haben gesagt, dass Sie auch Rockmusiker sind. In welchen Bands spielen Sie hier in Berlin?
O. Bernet: Zur Zeit habe ich zwei Bands. Eine ist mehr für meine Lieder, eine Rockband, ein bisschen 60er, Punk, Roch'n'Roll. Die andere ist mehr New Wave. Wir spielen nur Synthesizer, ein Trio mit Synthesizern und Drum Machines. Das macht sehr viel Spaß. Das sind meine zwei Bands in Berlin.
S. Tsarouchas: Welche musikalischen Einflüsse haben Sie?
O. Bernet: Das kann ich nicht sagen. Bei Filmmusik ist es so, dass ich einfach mache, was ich mache. Ich denke nie darüber nach, ich sollte so wie der oder der komponieren. Bei meinen Bands ist es anders. Da sind die Einflüsse einmal New Wave und bei der Rockband 60er und 70er Jahre Musik.
S. Tsarouchas: Sie haben sehr viele LP's. Finden Sie LP's besser als CD's?
O. Bernet: Ganz offensichtlich mag ich LP's. Ich bin den 80er groß geworden. Ich habe angefangen Musik von LP's zu hören. Ich habe auch angefangen CD's zu kaufen, aber das gefiel mir nie. Ich ziehe LP's vor. Es ist auch viel schöner eine LP in der Hand zu halten als eine CD, ein Stück Plastik.