Nicklas Schmidt ist der Filmkomponist von Den kæmpestore bjørn. Während der Berlinale 2011 konnte ich mit ihm ein Interview führen.
Stefanos Tsarouchas: Ich habe mir gestern Ihre Webseite angeschaut. Darin steht, daß Sie Komposition in Russland, in St. Petersburg studiert haben. Warum gerade dort?
Nicklas Schmidt: Das ist eine etwas seltsame Geschichte. Der Grund, warum ich in St. Petersburg studiert habe, geschah je zur Hälfe aus persönlichen, aber auch aus professionellen Gründen. Mein Vater ist Architekt. Er hat mit Architekten aus Minsk, Weißrussland, die ethnische Russen sind, zusammengearbeitet. Kurz nach dem Zusammenbruch des Ostblocks kamen sie zu Besuch nach Dänemark. Ich war damals 16 Jahre alt. Für mich war es sehr interessant eine fremde Kultur und Leute kennenzulernen. Ich habe mich daraufhin entschlossen Russian an der Schule zu lernen. Mit dem Schulrussisch habe ich dann die Ideen gehabt nach dem Ende meines Musikstudiums in Dänemark nach Russland zu gehen.Ich habe dann einfach das Konservatorium in St. Peterburg angerufen und habe eine paar Dinge gefragt, wie, was braucht man um dort zu studieren? Ich hatte dann ein Treffen mit dem Leiter der Fakultät für Komposition vereinbart. Ich ging hin mit meinen Kompositionen, mit dem was ich machte und in sehr kurzer Zeit war ich dort als Student eingeschrieben. Ich würde sagen, es war so etwas wi eine Schnapsidee. Plötzlich war ich dort. Ich war Student und nahm am Programm teil. Wahrscheinlich passierte nicht alles so bewußt, aber ich war plötzlich dort, und die Russische Umgebung, die Lernumgebung und das fantastische Konservatorium, mit den sehr guten Lehrkräften und auch die Russische Gesellschaf und St. Petersburg als Kulturstadt haben mich vereinnahmt. Es war so wie, auf Dänisch würde man sagen, ich fühlte mich wie ein Fisch im Wasser. Ich fühlte mich als ob ich zu hause war.
S. Tsarouchas: Wie viele Studenten aus dem Ausland gab es?
N. Schmidt: Es ist ein sehr großes Konservatorium. Es gab etwa 1.600 Studenten. Davon waren etwa 150 - 200 aus dem Ausland.
S. Tsarouchas: Das Studium wurde in Russisch abgehalten?
N. Schmidt: Ja, alle Lehrveranstaltungen waren auf Russisch. Ich würde fast sagen, zum Glück! Wir als Ausländer waren so gezwungen die Sprache zu lernen und zwar auf hohem Niveau.In den Kursen wurde zum Beispiel über Mahlers Sinfonien gesprochen. Wir mussten also Russisch lernen, und sie haben es uns sehr gut beigebracht.Wenn ich jetzt darüber nachdenke, war es fast wie ein Geschenk Russisch als quasi Zweite Sprache zu können.
S. Tsarouchas: Wie hoch waren die Studiengebühren? Sie haben auch noch eine Unterkunft gebraucht
N. Schmidt: Ich hatte so etwas wie ein staatliches Stipendium aus Dänemark. Damit konnte ch meinen Lebensunterhalt bestreiten. Die jährlichen Gebühren lagen bei etwa 3.000 US $. Im Vergleich zu London oder America waren die Gebühren sehr niedrig. Das Geld musste ich aber jedes Jahr auftreiben. Ich habe nach allen möglichen privaten Sponsoren gesucht, weil ich natürlich während des Studiums kein Geld verdienen konnte.
S. Tsarouchas: Auf Ihrer Webseite steht, dass einer Ihrer Lehrer ein Schüler von Schostakowitsch war. Kann man sagen, dass Ihr musikalischer Stil in die Richtung von Schostakowitsch geht?
N: Schmidt: Ich denke, dass ich ohne Zweifel in meiner musikalischen Denkweise von Schostakowitsch beeinflußt bin. Fast alle Komponisten am Konservatorium waren seine Schüler. Er ist so etwas wie ein Grßvater, der all gegenwärtig ist. Natürlich wurde auch oft auf Schostakowitsch Bezug genommen. Ich komme aus Skandinavien. Wir haben schon eine etwas andere Art und Weise Kunst zu betrachten Als ich am Konservatorium in St. Petersburg warm haben sie mir gesagt, daß meine Musik so skanidinavisch klingt. Als ich wieder in Dänemark war, hat man mir gesagt, daß mein musikalischer Stil jetzt so russisch klinge. Ich glaube, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
S. Tsarouchas: Sie kennen Esben Jacobsen, den Regisseur von "The Great Bear" seit der Zusammenarbeit für dessen Kurzfilm "Having a Brother" aus dem Jahr 2006. Wie haben Sie sich kennengelernt?
N: Schmidt: Ich glaube, wir haben uns über ein paar Leute von der Dänischen Filmhochschule kennengelernt, die wir beide kannten. Ich wurde Esben Jacobsen von einem Lehrer empfohlen. Wir hatten nicht all zu viel Zeit für seinen Kurzfilm "Having a Brother". Es war aber eine sehr gute Erfahrung , zumindest für mich und für ihn sicherlich auch. Es war eigentlich nur natürlich unsere Zusammenarbeit fortzusetzen.
S. Tsarouchas: Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Filmmusik, und wie Sie sie bekommen haben?
N. Schmidt: Mein erster Filmscore ... Es war ein Kurzfilm, auch für einen Schüler, der später in die Dänischen Filmhochschule aufgenommen wurde. Die Zusammenarbeit kam durch einen alten Freund vor mir zustande, der gerade als Poduzent anfing. Ich hatte kein Training in Filmmusik. Ich musste alles irgendwie fertig bekommen. Das war schon etwas seltsam. Ich kam nach Kopenhagen für ein kurzes Treffen. Der Regisseur wollte, dass ich schon etwas vorweisen konnte, weil sie es für den Film verwenden wollten. Ein Darsteller im Film sollte eine Melodie der Filmmusik pfeifen. Natürlich hatte ich noch nichts komponiert. Das war wirklich verrückt. Ich mußte in den anderen Raum gehen und habe mir, ich weiß nicht mehr, in vielleicht 15 Minuten eine Melodie ausgedacht, und sie vorgepfiffen. Der Regisseur hat sie auf dem Mobiltelefon aufgenommen und das war's! Das war schon ein sehr seltsamer Start für mich!
S. Tsarouchas: Wie verlief die Zusammenarbeit mit Esber Jacobsen bei "The Great Bear"?
N. Schmidt: Esben hatte eine Idee, er wollte, dass der Film bestimmte Dinge berührt, die Kinder direkt ansprechen. Er war sehr vorsichtig dabei, wie man daran herangehen sollte. Wir wollten die üblichen Klischees meiden. Zum Beispiel sagte Esben: "Wenn es Magie im Film gibt, ist es nicht so wie ein Disney Feenstaub, der über allem liegt. Die Magie entsteht dadurch, daß die Natur und die Lebewesen magisch sind." Die Filmmusik sollte nicht darauf eingehen. Ich brauchte keine erzählende Musik zu komponieren, die noch mal beschreibt, was passiert. Die Filmmusik sollte die Gefühle der Kinder beschreiben. Die Musik sollte teil des Waldes als mystischer Ort sein, wo die Geschichte des Film spielt. Die Musik sollte die Atmosphäre verstärken, aber ohne uns noch einmal die Geschichte zu erzählen. Wir gingen sehr vorsichtig vor, wie wir ein Gefühl im Film aufbauen wollten, oder wie wir etwas sagen wollten, was wan nicht im Film sieht.
S. Tsarouchas: Haben Sie vor den Dreharbeiten begonnen die Musik zu komponieren? Oder haben Sie gewartet bis die Arbeit am Film fertig war?
N: Schmidt: Mit Animation ist es so eine Sache ... Es ist auf eine Art lustig. Es dauert sehr lange einen Animationsfilm fertigzustellen. Erst sehr spät hat man enn endgültiges Bild. Es hat mit der Art und Weise zu tun wie der Film am Rechner erstellt wird. Für sehr lange Zeit habe ich Musik anhand von Modellen, Drahtgittern, aber ohne Lichtinformationen und ohne Oberfläche komponiert. Ich habe nur gesehen, daß sich etwas bewegt. Ich konnte Geräusche und Dialog hören. Esben hat mir gesagt, hier ist es Nacht und da können wir ganz weit sehen, weil ich gar nichts sehen konnte.Es war schon eine Herausforderung für mich so Gefühle zu finden, aber es gab natürlich sehr gute Skizzen und um auf Ihre Frage noch einmal zurückzukehren, ich habe mit Esben vielleicht 1 1/2 Jahre an dem Film gearbeitet. Wir haben diskutiert. Ich habe ein paar musikalische Skizzen gemacht. Ich habe mir existierende klassische Musik angehört, einige meiner Konzertstücke und so. Langsam haben wir dann unseren Weg in die Welt gefunden, den wir für den richtigen für den Film halten.
S. Tsarouchas: Gab es vielleicht die Idee den Film an Ihre Musik anzupassen?
N. Schmidt: Ich würde sagen, dass ist in beiden Richtungen passiert. Für einige Szenen war die Musik schon in einem sehr frühen Stadium fertig. Sie haben dann danach animiert.
S. Tsarouchas: Für welche?
N. Schmidt: Zum Beispiel der Anfang des Films. Die ersten 15 Minuten wurden nach der Musik geschnitten, aber auch viele andre Sachen. Ich mußte warten bis die Animation in einem Stadium war, wo wir uns auf die Dauer der Szene verlassen konnten. Wir haben dann mit dem Orchester die Musik aufgenommen. Ich glaube, meisten haben wir eher den Film verfolgt als anders herum.
S. Tsarouchas: Was halten Sie von Temp Tracks? Sie haben gesagt, daß Sie auch eigene, klassische Stücke verwendet haben.
N. Schmidt: Ich glaube, wenn SIe irgendeinen Filmkomponisten fragen, werden sicher 90% von uns sagen, dass wir Temp Musik hassen.