Das Interview mit Eran Riklis wurde aus Anlass der Vorstellung seines Films DIE REISE DES PERSONALMANAGERS am 29. November 2011 in Berlin geführt.
Stefanos Tsarouchas: Wie verwenden Sie in der Regel Filmmusik in Ihren Filmen?
Eran Riklis: Nun, ich glaube, man kann sagen, dass ich ein frustrierter Musiker bin. Als ich klein war, habe ich Klarinette gespielt, Piano, Gitarre, Akkordeon und andere Instrumente, aber ich habe mich dann fürs Filmemachen entschieden. Ich glaube, dass viele Regisseure musikalisch sind. Filmemachen ist ja eigentlich wie das Komponieren eines Musikstücks, insbesondere, was den Rhythmus, Struktur, Nuancen und all diese Dinge angeht. Für mich soll die Musik einmal den Film vervollständigen, aber ich persönlich verwende in den letzten Jahren immer weniger Musik, weil ich glaube langsam verstanden zu haben, dass die Musik auf eine Art vom Film selbst kommen muss. Ich bin auch der Meinung, wenn man sich heute die Verwendung von Scores anschaut, gibt es einmal die Amerikanische Herangehensweise. Das bedeutet im Grunde 90 Minuten Musik. Dann haben wir noch die Europäische Art, die sehr minimalistisch ist. Ich mag die minimalistische Herangehensweise mehr, aber ich liebe intelligente und emotionale Musik.
S. Tsarouchas: Sie arbeiten nicht zum ersten Mal mit Filmkomponist Cyril Morin zusammen. Wann haben Sie ihn kennengelernt?
E. Riklis: Ich habe ihn über einen Freund kurz vor DIE SYRISCHE BRAUT (2004) kennengelernt. Ich kannte ihn davor nicht. Ich habe Cyril einen kurzen Ausschnitt aus SYRISCHE BRAUT geschickt, es war so etwas wie die Schlüsselszene im Film, als die Braut zur Grenze kommt und sie geht zum Tor. Es war ein sehr emotionaler Moment, zum ersten Mal geht sie zur Grenze um ihren Ehemann zu sehen. Er hat mir dann zwei Minuten Musik geschickt. Ich hab sie mir angehört und Cyril dann später gesagt, lass uns zusammenarbeiten. Er hat die phantastische Fähigkeit die Essenz einer Szene einzufangen, Musikalische Themen aus der Gegend, die sehr eingängig sind, und auf einer gewisse Art und Weise sehr westlich im positiven Sinne. Ich glaube, dass ist diese Kombination, warum ich ihn mag, warum wir sehr gut zusammenarbeiten und schon drei Filme zusammen gemacht haben.
S. Tsarouchas: Welche Vorgaben hatte Cyril Morin für DIE REISE DES PERSONALMANAGERS?
E. Riklis: Wir haben lange diskutiert, weil der Film ja eigentlich aus zwei Teilen besteht. Zuerst haben wir Jerusalem und dann Rumänien. Wenn man an Rumänien denkt, hat man automatisch Zigeunermusik im Kopf. Das ist fast natürlich. Wir haben uns gesagt, okay, aber vielleicht lieber doch nicht. Aber wie kann man es verhindern? Wir haben dann etwas erreicht, das ein bisschen wie bei der SYRISCHEN BRAUT war, Wir nehmen Musikalische Elemente aus der Gegend, Musiker, und Stimmen, aber wir haben auch Unterstützung durch ein großes Orchester mit elektronischer Musik. Ich glaube, wenn Cyril und ich an der Musik arbeiten ist es manchmal wie die Arbeit am Film. Ich versuche einen starken Bezug zur Gegend zu haben in der der Film spielt, aber mit einem universellen Anspruch, so dass zum Beispiel auch Menschen in China verstehen, worum es im Film geht. Ich glaube, genauso ist es auch mit der Musik. Es ist leichter sich Musik anzuhören, auch wenn es nicht die Art von Musik ist, an die man sonst gewöhnt ist.
S. Tsarouchas: Wann hat Cyril Morin begonnen die Musik zu schreiben? Haben Sie ihm die erste Drehbuchfassung geschickt?
E. Riklis: Ja.
S. Tsarouchas: ... oder hat Cyril Morin erst mit der Schnittfassung begonnen?
E. Riklis: Nein. Ich schicke ihm immer das Drehbuch, weil ich glaube, er muss wissen, was im Film passiert, worum es geht. Wir können dann mit dem Austausch von Ideen beginnen. Ich glaube, dass ist sehr wichtig. Wenn dann die Rohfassung des Schnitts vorliegt, schicke ich ihm ein paar Szenen, so dass er ein Gefühl für den Film bekommt. Er lernt die Schauspieler kennen. Cyril bekommt ein paar Ideen, weil man manchmal etwas sieht und dann in eine ganz andere Richtung geht. Ich tendiere zu langen Gesprächen, aber das ist nicht immer so. Manchmal setzt man sich hin, trinkt einen Kaffee und hat großartige Ideen.
S. Tsarouchas: Ist es für Sie schwieriger, weil Sie auch einen musikalischen Hintergrund haben?
E. Riklis: Nein, nur sehr frustrierend (lacht)! Ich wünsche mir manchmal, dass ich selber die Musik schreiben könnte! Aber nein, um Musik zu verstehen spielt die Tatsache, dass ich mal Musik gemacht habe, kaum eine Rolle. Ich liebe Musik! Ich habe eine große Sammlung: Jazz, Klassische Musik, Rock. Das alles macht den Dialog nur einfacher. Bevor ich Regisseur wurde, war ich Kameramann. Ich kann mich deshalb mit dem Kameramann besser verständigen, weil ich weiss wovon er spricht. Mit Musik ist es genau so. Es ist für Regisseure sehr wichtig, dass sie zumindest ein wenig Ahnung von den Elementen haben, die einen Film ausmachen: Musik, Kamera, Ausstattung usw. Man muss immer auf dem neuesten Stand sein, um gute Filme zu machenund um mit seinen Kollegen zusammen zu arbeiten.
S. Tsarouchas: In Deutschland haben Sie sich vor allem als Regisseur von “politischen” Filmen einen Namen gemacht.
E. Riklis: Ja.
S. Tsarouchas: Ist DIE REISE DES PERSONALMANAGERS so etwas wie eine Pause vom üblichen Genre?
E. Riklis: Ich glaube, ja und nein. Als ich mit DIE REISE DES PERSONALMANAGERS anfing, habe ich gespürt, dass der Film schon anders ist. Statt einer Frau, wie in meinen letzten beiden Filmen, ist dieses Mal ein Mann die Hauptfigur. Es gibt trotzdem einen Zusammenhang mit Politik, mit der politischen Lage in Israel: Fremde Arbeiten, Selbstmordattentäter und ganz einfach der Israelische Charakter, der männliche Israelische Charakter im Mittelpunkt des Films ist eine politische Sache. Es ist eine andere Art eine Geschichte zu erzählen. Es geht um eine andere Ausgangssituation, aber für mich gehört auch dieser Film zur selben Familie wie LEMON TREEund DIE SYRISCHE BRAUT.
S. Tsarouchas: Ein Drittel des Films handelt in Jerusalem. Warum so viel? Warum spielt er nicht nach 20 Minuten in Rumänien?
E. Riklis: Eine gute Frage! ( lacht) Ich nicht. Ich habe darauf keine Antwort. Es ist übrigens sehr komisch, denn in der ersten Schnittfassung, spielte der Film zur Hälfe in Israel und Rumänien. Es war wichtig für mich den Personalmanager in seiner Umgebung zu zeigen, wie arbeitet er. Warum entscheidet sich Julia Rumänien zu verlassen und nach Jerusalem zu kommen? Warum ist sie gekommen und verbringt hier vielleicht ihr ganzes Leben? Es war auch wichtig, dass ich eine Art normales Jerusalem zeigen wollte, keine Postkartenidylle. Jerusalem ist eigentlich eine ganz normale Stadt. Wenn der Personalmanager zur Russisch‑Orthodoxen Kirche geht und versucht herauszufinden, ob er hier vielleicht Julia beerdigen kann, bekommt man eine andere Sicht auf diese Stadt, aber am Ende habe ich keine Antwort (lacht.)
S. Tsarouchas: Warum spielt die Geschichte nicht in der Gegenwart?
E. Riklis: Wegen der Realität! Anfang 2000, 2002, 2003 hatten wir sehr viele Selbstmordanschläge in Israel. Heute ist es relativ ruhig. Ich glaube, wir konnten vor allem dem Israelischen Publikum Julias Tod als realistisch verkaufen.
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