Mitte Februar 2002 war der Regisseur, Produzent und Schauspieler Jacques Perrin in Berlin. Es galt für den Film NOMADEN DER LÜFTE Werbung zu machen.
Cinématographe: Wie verlief die Zusammenarbeit mit Bruno Coulais?
Jacques Perrin: Ich kannte Bruno [Coulais] schon. Wir haben zusammen HIMALAYA und MIKROKOSMOS gemacht. Er komponierte zu den beiden Filmen die Musik.. Bei MIKROKOSMOS, den Film über die Insekten, habe ich ihn kennen gelernt. Auch bei Himalaja hat er die Filmmusik gemacht. Ich schätze sehr die Arbeit von Bruno, weil er nicht direkt ist. Er überlegt sehr viel und hat viele Ängste. Bei NOMADEN DER LÜFTE hat er viel herumprobiert, um die Symphonie der Vögel zu komponieren. Er hat vieles verworren und wieder aufgenommen. Bruno hat im November angefangen zu arbeiten. Das heißt, ein Jahr bevor der Film rauskam. Er sagte mir, daß es vorangehen würde, daß er Partituren hätte. Letztendlich hat Bruno die gültige Partitur erst im August geschrieben. Ich glaube, es ist gut, wenn man Angst hat vor einem Projekt, sei es literarisch oder musikalisch. Ich glaube, Bruno hat sich bei jeder Aufnahme alle Gesänge der Vögel angehört. Das Ausschlaggebende war, als wir die kleinen Mikrofone auf den Rücken der Vögel angebracht haben um die Stimmung aufzufangen die um den Flug der Vögel herrschte. Die Tonaufnahmen waren sehr schwierig. Wir konnten keine Direktaufnahmen machen. Die Geräte machten Krach. Wir mussten es ja in klarer Form bringen. So konnten wir also zum Beispiel den Wind aufnehmen, der aber zu stark war. Wir konnten aber auch andere Geräusche auffangen, die man nicht vermuten würde, denn man sieht ja nur die Bewegung. Es war eine große Geräuschkulisse. Man hörte die Entfaltung von Kraft und die Müdigkeit der Vögel. Dann merkten wir auch, wenn der Vogel nicht mehr konnte und den Schnabel auf hatte. Dann hechelte er und schnaufte. Also das Hören dieser Müdigkeit, diese Entfaltung von Anstrengung hat Bruno die Rhythmik gegeben. Da all diese Geräusche je nach Vogelart verschieden waren, hat er angefangen eine Melodie aus dieser Rhythmik zu machen. Es war wichtig, daß es seine Idee war, ob man nun seine Musik mag oder nicht. Ich denke, daß man die Anstrengung die dahinter steht, schätzen sollte. Das war nicht nur ein magischer Vogelballet, sondern auch eine wunderbare, vollendete Odyssee.
Cinématographe: Woher kam Bruno Coulais' Inspiration?
Jacques Perrin: Bruno Coulais ist zu unserem Stützpunkt in die Normandie gekommen um unsere Vögel anzuschauen. Er hat einige Tage mit ihnen verbracht um sich die Gesänge anzuhören. Dann hat Bruno sich immer wieder alle Bilder angeschaut. Die 300 Stunden an Filmmaterial die wir hatten, hat er sich immer und immer wieder angeschaut, bevor mit dem Dreh angefangen wurde. Es war also sehr zögernd. Aber der Film ist mit den Führern des Szenarios, das mit den Wissenschaftlern gemacht wurde, ein unerwartetes Werk. Denn während des Drehs begegnen einem Sachen die unerwartet sind. Also zum Glück gibt es immer wieder unerwartete Tatsachen. Diese Überraschungen geben einem immer eine veränderbare Richtung. Das heißt, es entwickelt sich, sei es mit dem Dreh oder mit der Musik. Das sind die Wege der Natur.Man fängt irgendwie an. Dann kommt ein Weg, der kreuzt. Den nimmt man. Dann begegnet man wieder etwas anderem. Dann nimmt man diesen oder jenen Weg ... das war auch der unsichere Weg von Bruno.
Cinématographe: Haben Sie für den Film Temp-Tracks verwendet?
Jacques Perrin: Ich musste ja ab und zu unseren Partnern Bilder vorzeigen und vorspielen. Bruno aber wollte sie nicht hören. Er hatte recht, denn dann heißt es immer: „So sollte es ungefähr klingen, aber mach das nicht so!“ Also, warum sollte man sich das überhaupt anhören, warum eine Richtung angeben die man sowieso nicht folgt. Ich hatte sehr viel Musik von Morricone. Vor allem aus dessen Score für MISSION. Wir hatten für die Lufthansa, die ein wunderbaren Partner war, eine Veranstaltung gemacht “ Les quatre coins du monde" (Die vier Ecken der Welt oder die 4 Himmelsrichtungen). Da hatten wir mit unseren Vögel leicht einen Zugang bekommen. Bei einer Veranstaltung in Hamburg auch mit Lufthansa , konnten wir Filmausschnitte zeigen. Winige Zuschauer sagten mir, daß die Filmmusik wunderbar ist, also die Musik von Morricone sei wunderbar! Sie sagten mir nicht, daß die Bilder wunderbar sind!! Deswegen ändere ich die Temp-Tracks immer wieder. Es ist so schwer über Musik zu sprechen. Es ist wirklich schwer. Ich glaube in der Ungenauigkeit dessen was man will, schafft man es zur Genauigkeit! Wenn man zu viele genaue Vorstellungen hat, engt es einen ein. Also muss man die Emotionen freisetzen, die der Film hervorruft, nicht die eigenen Emotionen. Aufgrund dieser Emotionen muss sich der Komponist arrangieren. Dann ist es leichter, wenn er schon ein Paar Noten und ein Entwurf hat. Dann ist es einfacher zu sagen...ändere dies oder mach das so. Ich fürchte mich schon vor der ersten Sitzung mit dem Komponisten, in der wir über die Musik sprechen, seien es Freunde oder nicht, ich kann nicht über Musik sprechen. Es ist sehr schwer.
Die Fragen stellten Stefanos Tsarouchas und Nathalie Heyblom. Übersetzung aus dem Franzöischen: Barbara Olivieri und Nathalie Heyblom.
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