Das Interview mit Esther Rots und Dan Geesin wurde am 8. Februar 2009 in Berlin geführt. Regisseurin Rots stellte ihren Film CAN GO THROUGH SKIN.vor.
Bettina Hirsch: Erklären Sie uns bitte mit Ihren Worten worum es im Film geht!
Esther Rots: Für mich geht es um eine Frau, die mit dem harten Stadtleben abgeschlossen hat. Sie versucht ein neues Leben auf dem Land zu beginnen. Sie begreift nicht, dass man über seinen eigenen Schatten springen muss um ein neues Leben zu beginnen. Das ist für mich die grundlegende Geschichte, aber es gibt viele andere.
Stefanos Tsarouchas: Der Film war sehr bewegend. Auch als Mann habe ich mich angesprochen gefühlt. War CAN GO THROUGH SKIN eher als Film für ein weibliches Publikum gedacht?
E. Rots: Ich glaube, das wir anfangs schon eher an Frauen dachten. Wie es sich zeigt, fühlen sich aber auch sehr viele Männer angesprochen. Ich glaube, es geht nicht nur um ein Problem, das eher Frauen haben. Es geht mehr darum, das dir etwas sehr Schlimmes widerfährt, ob Du dich nun als Mann oder Frau angesprochen fühlst. Jeder versteht, dass man so eine Sache überwinden muss.
S. Tsarouchas: Wie sind Sie auf die Geschichte gekommen? Basiert sie auf persönliche Erfahrungen von Familie oder Freunden?
E. Rots: Nein, tut es nicht. Das einzige Autobiographische daran ist, das ich darüber nachdachte, wie würde ich mich verhalten, wenn mir all das passiert, was Marieke passiert.
B. Hirsch: In einem Interview haben Sie gesagt, dass es Ihnen egal ist, wenn nur 2000 Leute ihren Film sehen.
E. Rots: Das habe ich gesagt, aber inzwischen meine Meinung völlig geändert. Ich war bei mehreren Frage und Antworten-Sessions dabei, wo das Publikum nach Filmende Fragen stellen kann. Es ist wirklich sehr, sehr schön festzustellen, das das Publikum den Film versteht. Ich habe das nicht erwartet. Es wurden sehr gute Fragen gestellt. Das Publikum war wirklich bewegt. Das ist sehr spannend. Jetzt möchte ich, dass die ganze Welt ins Kino geht und alle den Film sehen.
S. Tsarouchas: Warum wurden die 70 Drehtage über das ganze Jahr verteilt?
E. Rots: Wir brauchten alle vier Jahreszeiten. Ein anderer Punkt ist auch die technische Seite, wie wir gearbeitet haben. Nach ein paar Drehtagen konnten wir weiter an dem Drehbuch arbeiten oder schon editieren. Dan, der Komponist hatte vielleicht schon ein paar Musikstückchen, die ich verwenden könnte. Dann konnten wir weiter drehen. Das lief ein bisschen durcheinander ab, aber wuchs richtig zusammen.
S. Tsarouchas: Wie hat die Rifka Lodeizen die Hauptrolle bekommen?
E. Rots: Sie war definitiv die Beste! Ich kannte sie noch von einem anderen Casting, das Jahre her war. Sie ist in meinem Kopf hängen geblieben. Und bei dem Casting zu diesem Film hat sie mich einfach umgehauen. Sie ist wirklich gut!
S. Tsarouchas: In einem Interview hat Rifka Lodeizen gesagt, das sie zweimal Vorsprechen musste. Hatten Sie vielleicht irgendeine andere Darstellerin.
E. Rots:Das war es nicht. Ich habe mir dieses wirklich starke, sehr selbstsichere, aufrecht gehende Frau aus der Stadt vorgestellt. Ich hatte den Eindruck, das Rifka eher der Typ ist, der mehr nachdenkt, eher nach innen gerichtet ist als nach außen. Beim zweiten Casting hat sie mir gezeigt, dass ich völlig falsch war. Rifka stellte die perfekte starke Marieke dar.
S. Tsarouchas: In dem Film sehen wir Marieka sehr oft nackt. War das notwendig für den Film? Wie hat das die Hauptdarstellerin Rifka Lodeizen gesehen?
E. Rots: Ich glaube, keine Schauspielerin mag es gerne nackt herumzulaufen. Das Haus ist kalt und verfallen. Rifka mochte es nicht, aber für den Film war es notwendig sie ganz persönlich zu zeigen Wir bekommen die Chance Mariekas innerste Gefühle mitzuerleben. Sie versteckt nichts vor uns. Darum ist Nacktheit auch eine logische Folge. Jeder ist in seinem Leben mal nackt.
S. Tsarouchas: Wie war das mit dem Angriff, als Marieka nackt aus dem Haus rennt. Wurde die Straße abgesperrt?
E. Rots: Nein, wir haben darüber gesprochen und wie wir die Szene am besten drehen sollten. Am Ende haben wir uns dazu entschieden, einfach nach draußen zu gehen und zu filmen und gehofft, das es nicht zu lange dauert. Und es ging eigentlich auch ganz schnell. Es war eine sehr ruhige Straße. Wenn wir sie abgesperrt hätten, wären die Leute gekommen, hätten zugeschaut. Das wäre ein Event geworden. So war es aber schnell vorbei.
S. Tsarouchas: Im Film ist Marika in einer Chattgruppe von Frauen, die angegriffen oder vergewaltigt wurden. Sie trifft dann jemanden aus der Gruppe in einem Restaurant. Das Internet ist anonym. Es hätte auch ein Vergewaltiger sein können. Oder stand schon immer fest, das man einen Taxifahrer, der vergewaltigt hat, suchen will?
E. Rots: Für mich persönlich ging es um den Taxifahrer. Sie sollte in der Stadt kein böse Person treffen. Für mich ist es wichtig das es sehr viele Auslegungsmöglichkeiten gibt, nicht viele kleine Geschichten, Möglichkeiten für die es eine Erklärung gibt. Viele Sachen kann der Zuschauer auf eigene Art und Weise interpretieren. Darum mag ich sehr Ihre Angst, das Marika vielleicht auf einen Vergewaltiger trifft. Das habe ich noch nie gehört. Aber ich mag es, wenn das Publikum die Geschichte in eine andere Richtung entwickelt als ursprünglich gedacht war.
S. Tsarouchas: Warum haben Sie einen Score verwendet und nicht einfach ein paar Hitsongs im Film plaziert?
E. Rots: Ich habe bisher immer mit Dan Giesen gearbeitet. Er macht immer den Sound für meine Filme. Zu Beginn war es eigentlich so, das ich ihm gesagt habe keine Songs, keine gesungenen Worte. Dan hat sich entschieden, das auf seine Weise zu interpretieren. Nämlich, das er nicht singt. Er begann mit Sängerinen zu arbeiten. Er hat eine Weile gebraucht, bis ich davon überzeugt war, das ich die Lieder brauchte. Sie funktionieren wirklich gut im Film. Das habe nicht erwartet. Durch seine Sturheit sind sie in den Film gekommen.
S. Tsarouchas: Haben Sie daran gedacht, gar keine Musik im Film zu verwenden?
E. Rots: Überhaupt gar keine Musik? Nein, bei Dan ist man sich nie sicher, wo der Sound aufhört und die Musik beginnt. Das ist sehr interessant. Die ganze Soundlandschaft ist so unglaublich. Sie arbeitet auf der Ebene des Unterbewusstseins. Darum ist es zumindest in meinen Filmen so, das ich mir einen ohne Musik nicht vorstellen kann.
S. Tsarouchas: Im Film sind 4 oder 5 Lieder zu hören. Weshalb haben Sie nicht nur eine instrumentale Filmmusik komponiert?
D. Geesin: Warum Lieder? Nun, der Score ist das Sounddesign. Eine Art Sound und wie Esther vorhin sagte, ist es nicht ganz klar, wo das Soundesign beginnt oder die Musik. Ich als Filmemacher habe immer mit Bild und Ton gearbeitet und der Verbindung dazwischen, ob es nun ein Videoclip ist oder der Soundtrack für einen Film. Mich interesssiert schon immer das Pendeln zwischen Bild und Ton. Ich hab mich noch nicht entschieden.
S. Tsarouchas: Wann haben Sie mit den Arbeiten zur Musik begonnen? Haben Sie vorher das Drehbuch gehabt?
D. Geesin: Ich war das einzige Crewmitglied, das das Drehbuch nicht gelesen hatte. Es war wichtig, dass die Musik nicht den Film illustrieren sollte. Der Prozess war zu absorbieren, worum es im Film geht. Ich war bei den Dreharbeiten während der verschiedenen Jahreszeiten da. Ich habe verschiedene Geräusche für das Sounddesign aufgenommen. Auf eine Art war es eher ein Gefühl. Bei den Songs war es so, dass die Sättigung in einem Kurzfilm ganz anders ist als in einem Langfilm, schon allein von der Länge. Man braucht Zeit für das Drama. Vielleicht muss auch Abstand durch die Musik erzeugt werden. Die Songs sind keine Illustration des Films.
S. Tsarouchas: Wie entstehen die Ideen für Musik oder Lieder?
D. Geesin: Das passiert intuitiv. Vieles lag daran, das ich bei den Dreharbeiten dabei war, bei Rifka und ihrem Charakter. Dem Haus, der Einsamkeit, wenn man am Feuer sitzt und den Wind im Kamin hört. Da zu sitzen wie Rifka, im Hause zu sein. Ich musste dann mein improvisiertes Studio verlassen, wenn m Zimmer oder im Schuppen gedreht wurde. Ich habe soviel wie möglich von der Umgebung und vom Film aufgesogen. Das habe ich dann verwendet um eine Art parallele Geschichte zu erschaffen.