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Die fünf Schwestern Sonay, Selma, Nur, Ece und Lale sind Waisen und leben auf einem Dorf bei Onkel und Großmutter. Am letzten Schultag vor den Sommerferien albern die Mädchen mit Schulkameraden am Strand herum. Für uns Zuschauer ein harmloses Vergnügen, aber nicht für Großmutter und Onkel. Nachbarn haben vom schamlosen Verhalten der Mädchen erzählt. Ab jetzt müssen sich die 5 sittsam benehmen: Computer und Telefone werden ihnen weggenommen, es kommen Gitter vor die Fenster. Der Reihe nach sollen zuerst die ältesten drei Schwestern verheiratet werden.
MUSTANG hat mich sehr an THE VIRGIN SUICIDES von Sofia Copolla aus dem Jahr 1999 erinnert. So ein tragischer Ende haben wir bei MUSTANG nicht, allerdings war ich dann zugleich sehr betroffen und sehr wütend: über die Ungerechtigkeiten, die den Schwestern widerfahren, die Borniertheit und Rückständigkeit der Dorfbewohner und der Frauen, der Oma, das Verhalten der Männer und vor allem des Onkels, der dauch noch eine der Schwestern missbraucht, dabei von seiner Mutter erwischt wird. Sie will dann aber nur so schnell wie möglich ihre minderjährige Enkelin verheiraten und so aus dem Haus haben.
Mein Fazit: Die Türkei ist abseits der großen Städte immer noch ein rückständiges Land. Nur mit einer fortschrittlichen nicht‑religiösen Regierung, die auf gleiche Bildung für Jungen und Mädchen setzt, auf rigorose Kontrolle und Durchsetzung der Schulpflicht, gleiche Rechte für Mann und Frau, ändert sich was.
Von meinem persönlichen Empfinden mal abgesehen, MUSTANG, der erste Langfilm der türkischen Regisseurin Deniz Gamze Ergüven ist für mich ein sehr sehenswerter Film über Sehnsucht nach Freiheit und gegen Rückständigkeit.
Die Darstellerinnen der Schwestern spielen unverkrampft und überzeugend. Allen voran Güneş Nezihe Şensoy als jüngste Schwester, die sich nicht kleinkriegen lässt.
MUSTANG ist für Frankreich im Rennen für den Oscar als bester ausländischer Film.
Der Australische Musiker und Komponist hat mit MUSTANG zum ersten Mal einen Score ohne Nick Cave komponiert. Bisher haben die zwei immer zusammengearbeitet wie zum Beispiel beim Drama DEN MENSCHEN SO FERN, der im Juli 2015 in unsere Kinos kam.
MUSTANG ist ein minimalistischer Score, eine einfache Melodie mit wenigen Instrumenten. Zu Anfang ist sie unschuldig und noch harmlos wie die fünf Schwestern. Mit den drastischen Veränderungen in ihrem Leben ändert sich auch die Stimmung der Musik, im Klarvier- oder Cellospiel oder auch den gezogenen Flötenklängen. Ein bisschen klagende Streicher im Thema für Lale, der jüngsten Schwester, die einfach nicht aufgeben mag.
Was immer bleibt, ist jedoch die Langsamkeit in der Musik. Es gibt keine Actioncues, auch nicht da, wo man sie vielleicht vermuten würde, wie bei der Flucht der Schwestern am Ende.
MUSTANG gehört übrigens zu den Filmen, die auch ohne Score spannend genug sind. Die wenige Musik, die wir hören, ist auch völlig ausreichend.
Wer Ambience und Texturen nicht mag, ist beim Score von Warren Ellis für MUSTANG falsch.
Wer den Film kennt und mag, so wie ich, wird aber auch seine Musik mögen.
Anklänge an türkische Folkmusik oder ähnliches gibt es bis auf einen Song am Ende und der Instrumentierung jedoch kaum.